Kontrahierungszwang PKV: Wann besteht die Pflicht zur Vertragsannahme?

Verträge dürfen hierzulande frei geschlossen oder abgelehnt werden – es sei denn, sie unterliegen dem Kontrahierungszwang. Die Verpflichtung zur Annahme eines Vertrages gilt unter anderem für Stromversorger, die Kfz-Haftpflichtversicherung und für die Krankenversicherung. Die folgenden Informationen zeigen, ob auch in der privaten Krankenversicherung (PKV) ein Kontrahierungszwang besteht und was das für die Antragstellung bedeutet.

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Inhalt des Ratgebers

Kontrahierungszwang - kurzer Überblick:

  • Der Kontrahierungszwang verpflichtet eine Vertragspartei dazu, einen Vertrag mit einer anderen Partei abzuschließen, insbesondere im Bereich der privaten Krankenversicherung, um die Grundversorgung sicherzustellen und Monopolstellungen zu verhindern.
  • In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müssen alle Antragsteller angenommen werden, unabhängig von Gesundheitsrisiken oder finanzieller Leistungsfähigkeit. Die PKV kann Anträge ablehnen, wenn das individuelle Gesundheitsrisiko zu hoch ist oder die Bonität des Antragstellers nicht ausreicht.
  • In der PKV gilt ein eingeschränkter Abschlusszwang, der es ehemaligen Mitgliedern ermöglicht, ohne erneute Gesundheitsprüfung zurückzukehren, während Neuanträge einer Gesundheitsprüfung unterliegen und bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen.

Was ist der Kontrahierungszwang?

Unter dem sogenannten Kontrahierungszwang oder Abschlusszwang versteht man im Allgemeinen die gesetzliche Verpflichtung einer Vertragspartei, einen Vertrag mit einer anderen Partei abzuschließen. Diese Pflicht zur Vertragsannahme erstreckt sich auf verschiedene Bereiche, darunter auch die private Krankenversicherung.

Warum gibt es den Kontrahierungszwang?

Mit dem Kontrahierungszwang hat der Gesetzgeber eine Ausnahme von der in Deutschland geltenden Vertragsfreiheit (Privatautonomie) für Unternehmen und Privatpersonen geschaffen. 

Grundsätzlich hat niemand die Pflicht, Verträge abzuschließen oder Vertragsangebote anzunehmen. Allerdings muss mit bestimmten Verträgen eine gewisse Grundversorgung sichergestellt werden (unmittelbarer Kontrahierungszwang). 

Der Abschlusszwang gilt auch, wenn Verbraucher:innen aufgrund der Monopolstellung eines Anbieters keine andere Wahl haben, als diesen zu wählen (mittelbarer Kontrahierungszwang).

Unmittelbarer Kontrahierungszwang

Gilt wann?: Vertragsabschluss ist zur Daseinsvorsorge gesetzlich vorgeschrieben

Beispiel: Aufgrund der bestehenden Versicherungspflicht müssen Krankenkassen jeden Antrag annehmen.

Mittelbarer Kontrahierungszwang

Gilt wann?: Bei Unternehmen, die eine Monopolstellung einnehmen

Beispiel: Die GEMA ist alternativlos, wenn es um Lizenzen für die Nutzung von Musik geht.

Wie ist der Kontrahierungszwang in der Krankenversicherung geregelt?

Die Regelungen für den Abschlusszwang sind in der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) und in der privaten Krankenversicherung (PKV) unterschiedlich geregelt:

Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)

Sind gesetzliche Krankenkassen verpflichtet, Antragsteller aufzunehmen?

Laut Sozialgesetzbuch V müssen Krankenkassen alle Personen akzeptieren, die einen Antrag zur Aufnahme stellen.

Was bedeutet Kontrahierungszwang für eine GKV?

Für die gesetzliche Krankenversicherung bedeutet der Kontrahierungszwang, dass kein Antragstellender abgelehnt werden darf. Dabei ist es unerheblich, welche persönlichen Gesundheitsrisiken bestehen oder wie die finanzielle Leistungsfähigkeit der zukünftigen Mitglieder ist.

Private Krankenversicherung (PKV)

Im Bereich der PKV gilt für Verträge das Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Demnach gilt in der private Krankenversicherung ein eingeschränkter Abschlusszwang.

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Wann gilt der Kontrahierungszwang für die private Krankenversicherung?

In der privaten Krankenversicherung gibt der Kontrahierungszwang jedem Menschen das Recht, sich zu versichern, wenn er oder sie schon einmal privat versichert war. Grundlage dafür ist das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG), mit dem 2007 die Versicherungspflicht eingeführt wurde.

Seitdem darf jede Person ohne Absicherung im Krankheitsfall in die Krankenversicherung zurückkehren, bei der sie zuvor versichert war – das gilt für ehemalige Mitglieder einer Krankenkasse ebenso wie für ehemalige Privatpatient:innen.

Wann darf die PKV Anträge ablehnen?

Für alle Antragstellenden, die noch nie privat versichert waren, ist der Abschluss eines Vertrages über private Leistungen rund um ihre Gesundheit an bestimmte Voraussetzungen und Annahmerichtlinien geknüpft. 

Diese Richtlinien dienen dem Schutz der Versicherungsgemeinschaft vor hohen Kostensteigerungen. 

Unternehmen wie eine Private Krankenversicherung dürfen in folgenden Fällen PKV-Anträge ablehnen:

Wann macht die PKV Ausnahmen von ihren Annahmerichtlinien?

In bestimmten Situationen ist es für PKV-Anbieter möglich, Ausnahmen zu machen und von ihren Annahmerichtlinien abzuweichen und Antragstellenden einen Abschluss auch dann zu ermöglichen, wenn theoretisch Gründe dagegen sprechen. 

Ausnahmen gibt es beispielsweise beim:

Ausnahme 1: Versicherung mit Vorerkrankung

Wenn Antragstellende eine PKV mit Vorerkrankungen abschließen möchten, kann die Versicherung einen Risikozuschlag auf die monatlichen Beiträge erheben und muss dann den Antrag nicht ablehnen. Die Höhe des Zuschlags hängt vom individuellen Risiko ab.

Eine zweite Möglichkeit ist der Ausschluss von Leistungen für bereits bestehende Erkrankungen. Entsprechende Empfehlungen von Krankenversicherungen, einen Leistungsausschluss vorzunehmen, sollten Versicherungswillige allerdings genau überdenken. Im Krankheitsfall können dadurch hohe Kosten auf sie zukommen.

Ausnahme 2: Kindernachversicherung nach der Geburt

Eine zweite Ausnahme besteht bei Neugeborenen. Sind die Eltern privat versichert, dürfen sie ihr Baby im Rahmen der Kindernachversicherung bei ihrem Versicherungsanbieter privat versichern. Dabei entfallen sowohl die Gesundheitsprüfung, als auch Risikozuschläge und Wartezeiten. 

Der Antrag dafür muss spätestens zwei Monate nach Geburt gestellt werden. Die auf diese Weise versicherten Neugeborenen erhalten den gleichen Versicherungsschutz wie das Elternteil, das sie versichert hat.

Ausnahme 3: Öffnungsaktion für Beamte

Für Beamtinnen und Beamte, die zum Beispiel nach ihrem Referendariat zum ersten Mal verbeamtet werden, kann der Abschlusszwang ebenfalls gelten – allerdings nicht bei allen Versicherern. Unter den privaten Krankenversicherungen gibt es einige Anbieter, die an der Öffnungsaktion für Beamte teilnehmen.

Die teilnehmenden Versicherer verpflichten sich freiwillig dazu, Beamt:innen in entsprechenden Beihilfetarifen anzunehmen, die aufgrund einer Vorerkrankung keinen anderen Versicherungsschutz erhalten würden.

Der Risikozuschlag ist in diesem Fall auf 30 Prozent begrenzt. Der Antrag könnte allerdings wegen fehlender Bonität abgelehnt werden.

Ob eine Versicherung an der Öffnungsaktion teilnimmt, können Interessierte im Kontakt mit dem Anbieter ihrer Wahl erfragen.

WICHTIG

Die Beamtenöffnungsaktion können Beamte nur einmal in Anspruch nehmen. Dazu müssen sie ihren Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Verbeamtung stellen.

Ausnahme 4: Annahmepflicht im Basistarif

Antragstellende haben das Recht, ohne Risikozuschläge oder Ausschluss von Leistungen in den Basistarif privater Versicherer aufgenommen zu werden. Die Verpflichtung, den Basistarif für alle Personen zu öffnen, besteht für private Versicherer seit 2009. Falls ein Kunde oder eine Kundin wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletztung von der PKV gekündigt worden ist, ist dieser Versicherer von dieser Verpflichtung ausgenommen.

Der Umfang des Basistarifs entspricht in etwa dem Leistungsumfang einer gesetzlichen Kasse.
 

Auch wenn sich jede und jeder im Basistarif ohne Risikozuschläge versichern lassen dürfen, muss der Anbieter trotz Kontrahierungszwang den Gesundheitszustand der Interessierten abfragen. Denn privat Versicherte haben ein Tarifwechselrecht: Sie können innerhalb einer Versicherungsgesellschaft den Tarif wechseln, auch aus dem Basistarif heraus, und müssen dann Beiträge entsprechend ihrem Risiko zahlen.

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FAQ zum Kontrahierungszwang in der PKV

Aufgrund der Versicherungspflicht dürfen Krankenversicherungen ihren Kund:innen nicht ohne Weiteres kündigen. Das gilt auch, wenn sie ihre Beiträge einmal nicht zahlen können. In der privaten Krankenversicherung gibt es deshalb die Bonitätsprüfung: Sie soll verhindern, dass Kund:innen durch ausbleibende Beitragszahlungen die Kosten für ihre Mitversicherten in die Höhe treiben.

Obwohl die GKV verpflichtet ist, alle Antragstellenden als Mitglieder aufzunehmen, darf sie unter Umständen davon abweichen. Denn wer sich gesetzlich versichern möchte, muss gewisse gesetzliche Voraussetzungen erfüllen. Das sind beispielsweise Vorversicherungszeiten. Außerdem kann die GKV niemanden aufnehmen, der älter als 55 Jahre ist.

Marie-Theres Rüttiger
HIER SCHREIBT Marie-Theres Rüttiger

Marie-Theres ist Online Redakteurin für Gesundheits- und Versicherungsthemen bei ottonova. Sie konzipiert den Redaktionsplan, recherchiert und schreibt vor allem über (E-)Health und Innovation, die das Leben besser machen. 

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