Organisationsaufstellung bei internen Unternehmenskonflikten
Familienaufstellungen kennst du vielleicht: Dabei werden die Beziehungen einzelner Familienmitglieder unter die Lupe genommen, um Konflikte zu lösen, für die sich keine rationale Erklärung findet. Eine ähnliche Methode gibt es auch für Unternehmen. Wie funktioniert diese Form von Konfliktmanagement?
Vielleicht gibt es in deinem Team ein paar Kollegen, mit denen du immer wieder aneinandergerätst. Projekte laufen nur holprig an, ständig hagelt es Kritik und du musst ewig auf Feedback warten. Gut möglich, dass sich auch nach einem ernsten Gespräch nichts ändert. Wenn kein Mensch weiß, was eigentlich schiefläuft, kann eine Organisationsaufstellung womöglich neue Türen öffnen. Und dies auch auf Managementebene, denn gerade hier spielt Zwischenmenschliches eine große Rolle, schließlich soll der Leader sein Team gut führen.
Systemisches Coaching für Organisationen: Hintergründe und Ablauf
Systemisches Coaching beruht auf der Überlegung, dass alle Mitglieder einer Organisation miteinander verbunden sind. Sei es in einer Familie oder in einem Unternehmen – kein Mensch ist eine Insel, sondern alle stehen in Beziehung zueinander. Das ist zwar logisch, aber im Alltag oft schwer fassbar, vor allem, wenn es sich um große Teams handelt. Anstatt also den Einzelnen und seine Probleme zu analysieren, schauen systemische Ansätze auf das große Ganze.
1. Schritt: Systemische Strukturaufstellung
Um das System mit all seinen Verbindungen zu erfassen, arbeitet die Organisationsaufstellung mit Stellvertretern. Sie stehen für alle, die am jeweiligen Konflikt beteiligt sind. Auch derjenige, der die Aufstellung in Auftrag gibt, braucht einen Stellvertreter. Schließlich ist er auch Teil des Systems. Wenn das Coaching im Rahmen eines größeren Workshops sattfindet, werden Seminarteilnehmer als Stellvertreter ausgewählt, die mit der Situation nichts zu tun haben. Bei einem Einzelcoaching unter vier Augen können auch Gegenstände wie Stifte oder Papier als Stellvertreter fungieren. Wichtig ist, dass sie in Relation zueinander gebracht werden. Schließlich ist es die Beziehung, welche betrachtet werden soll.
Nehmen wir an, dein Team besteht aus fünf Mitgliedern. Tom und Steffi sind beste Freunde, du kommst mit den meisten gut klar. Außer mit Andrea, die mag nämlich keiner. Auch Ole findet Andrea komisch, aber zu Tom und Steffi hat er auch nicht wirklich einen Draht gefunden. Mit dir versteht er sich am besten. Du siehst, wie kompliziert die Beziehungen bereits in einem so kleinen System sind.
Deine Aufgabe ist es nun, die Stellvertreter so anzuordnen, dass Nähe, Distanz und Winkel die Beziehung gut ausdrücken. Das nennt man „Erstbild“. Es stellt die Gruppendynamik visuell dar und zeigt die Ausrichtung der einzelnen Teammitglieder.
In unserem Fall könnte das Ganze so aussehen:
2. Schritt: Analyse
Jetzt geht es ans Eingemachte. Du schaust dir das Team aus der Vogelperspektive an. Wie wirken die einzelnen Positionen auf dich? Eröffnen sich Details der Beziehungen, die vorher gar nicht klar waren? Wo wären die idealen Positionen der einzelnen Teammitglieder?
Der Coach unterstützt bei diesem Prozess. Er fragt die Stellvertreter, wie sie sich fühlen. Vielleicht freuen sich Tom und Steffi zwar über ihr gutes Verhältnis, bemerken aber bei näherer Betrachtung, dass sie ganz schön abgekapselt sind. Du hast dich vielleicht bislang als Allrounder gesehen, der mit jedem kann. Aber dein Stellvertreter hat das Gefühl, zwischen den Stühlen zu sitzen. Du vielleicht auch? Die Betrachtung wird so lange weitergesponnen, bis alle tiefliegenden Schichten des Systems aufgedeckt sind.
3. Schritt: Eine neue Ordnung
Jetzt ordnet der Coach die Stellvertreter anders an, um ein harmonisches Gesamtbild zu erzeugen. Am Ende nimmst du deine eigene Position ein und schaust, wie sie sich anfühlt. Es sollte deutlich besser sein als vorher.
4. Schritt: Bei Bedarf Familienaufstellung
Manchmal ist es sinnvoll, auch den privaten Kontext des Teamleaders zu beleuchten. Zum Beispiel dann, wenn sich Dynamiken seiner Familie auf die Firma übertragen haben. Vielleicht hattest du ständig Machtkämpfe mit deinem Bruder, die du ihm noch nicht verziehen hast? Wenn jetzt ein Kollege deine Autorität infrage stellt, könnte dieser nicht überwundene Konflikt aufflammen und sich im Job-Kontext spiegeln. Manchmal lässt die Spannung erst nach, wenn der ursprüngliche Konflikt gesehen und gelöst wurde.
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Für welche Unternehmen eignen sich Organisationsaufstellungen?
Die Größe des Unternehmens spielt keine Rolle, denn auch kleine Systeme können durchleuchtet werden. Eine wichtige Voraussetzung ist jedoch die Bereitschaft, verborgene oder längst verdrängte Themen ans Tageslicht zu holen und anzuschauen. Ist diese Voraussetzung gegeben, können Organisationsaufstellungen viele Türen öffnen.
Mögliche Benefits:
- Verstrickungen erkennen
- Den eigenen Platz im Team finden
- Neue Teammitglieder integrieren
- Persönlich wachsen
- Eigene Stärken und Ziele erkennen
- Ungelöste Familienkonflikte aufdecken, die sich im Job zeigen
Die so gewonnene Klarheit kann dazu führen, sich Mitarbeiter sicherer und stärker im Job fühlen.
Systemaufstellung im Führungskräftetraining
Ein Beispiel für systemisches Leadership Coaching: Ein Unternehmen hat einen neuen Geschäftsführer bekommen. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit stellt er sein Konzept zur Neuausrichtung dem Team vor. Zwar sind die Reaktionen positiv, aber die Umsetzung kommt schnell ins Stocken. Warum das so ist, ist erst einmal unklar. Hier kann eine Organisationsaufstellung helfen.
Nachdem alle Beteiligten in Form von Stellvertretern einen Platz gefunden haben, wird deutlich: Der Geschäftsführer und der schon seit Jahren etablierte Produktionsleiter verstehen sich zwar gut. Ihre Stellvertreter stehen daher dicht nebeneinander. Sie blicken aber in unterschiedliche Richtungen: Während der Produktionsleiter primär auf die Mitarbeiter schaut, hat der Geschäftsführer hauptsächlich seine Ziele im Visier. Beide ziehen also nicht am selben Strang. Die Lösung wäre hier, dass beide sowohl das Ziel als auch die Mitarbeiter wahrnehmen. Jetzt können sie auf eine gemeinsame Ebene kommen und von dort aus weiterarbeiten.
Auch Change Management lässt sich mit einem systemischen Unternehmenscoaching begleiten, zum Beispiel, wenn ein Team neu zusammengewürfelt wurde, aber die Zusammenarbeit an unbekannten Stellen immer wieder hinkt. So könnte sich die Mitarbeiterzufriedenheit langfristig verbessern lassen.
Wie effizient sind systemische Strukturaufstellungen in Unternehmen?
Familienaufstellungen sind recht bekannt, aber Organisationsaufstellungen sind noch nicht sehr verbreitet. Gleichzeitig gibt es wenige hochwertige Studien zur Wirksamkeit des Verfahrens. Eine Studie der Uni Darmstadt aus dem Jahr 2014 zeigte, dass sich die Teilnehmer nach der Aufstellung deutlich besser fühlten. Innere Spannungen nahmen ab, was einem besseren Verständnis der verworrenen Situation im Job zuzuschreiben sein könnte. Die gemessenen Veränderungen hielten auch mehrere Monate nach der Organisationsaufstellung an. Allerdings sind mehr Studien nötig, um die Ergebnisse zu bestätigen und differenziertere Daten zu liefern.
Kritik Organisationsaufstellung
Die systemische Organisationsaufstellung steht allerdings auch in der Kritik. Der Wirtschaftspsychologe Uwe Kanning hält das Verfahren lediglich für eine aufwändige Inszenierung mit fragwürdigen Effekten. Er moniert, dass die Anordnung der Stellvertreter nach subjektiven Kriterien erfolgt. Es sei nicht bewiesen, dass die so dargestellte Dynamik tatsächlich die Beziehungen der einzelnen Personen widerspiegelt und das Konfliktmanagement gelingt.
Am Ende des Tages wird es immer Themen geben, die sich nicht lösen lassen – vor allem nicht sofort. Dann hilft eine ordentliche Portion Frustrationstoleranz, trotzdem gut durch den Tag zu kommen.
Deshalb erfährst du bei uns, wie du deine Nerven schonst.
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Jeannette Stowasser
Jeannette ist Online-Redakteurin für Gesundheit und schreibt seit 2011 Artikel, E-Books und Whitepaper zu den verschiedensten medizinischen Themen.