Keine Sorge, Selbstfürsorge

Männer können ihre Gefühle nicht zeigen? Ihr Körper tut es aber früher oder später, zum Beispiel wenn der Stress sich in Form von Rückenschmerzen äußert. Wie Arbeitgeber psychische Gesundheit fördern und was jeder einzelne für seine Resilienz tun kann, beschreibt Dr. Tatjana Reichhart im New-Work-Interview mit ottonova.

Inhalt des Ratgebers

Es sind Zahlen, die nicht nur dich als Arbeitnehmer, sondern jeden Arbeitgeber aufhorchen lassen sollten: Studien zufolge erkrankt jeder dritte Mensch in seinem Leben psychisch, jeder siebte wird sogar eine Depression haben. Und der Bericht „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ der Bundesregierung aus dem Jahr 2018 zeigt, dass psychische Erkrankungen bereits die zweithäufigste Ursache für Fehltage sind. Für Unternehmen zieht dies Produktionsausfälle in Höhe von rund 12,2 Mrd. € nach sich.

Trotzdem gibt es noch immer Unternehmen, die sich davor scheuen, psychische Gesundheit im Arbeitsalltag zu adressieren. „Gerade in Betrieben, in denen viele Männer arbeiten, hört man oft aus der Geschäftsführung, dass die Mitarbeiter vielleicht Probleme mit dem Rücken haben, aber doch nicht mit der Psyche“, so die Erfahrung, die Dr. Tatjana Reichhart gemacht hat. Die promovierte Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie hat Großes vor: Sie will das Thema psychische Gesundheit aus der Stigma-Ecke befreien.

„Ich möchte Menschen davor schützen, krank zu werden“, sagt Tatjana. Deshalb hing sie ihren Klinikjob nach zehn Jahre an den Nagel und gründete 2015 das Coaching- und Seminar-Café „Kitchen2Soul“ in München – das erste und bisher einzige seiner Art. Dort schafft sie einen Raum, in dem Unternehmen, aber auch Coaches und Trainer, über psychische Gesundheit am Arbeitsplatz sprechen können.

Gesundheit fängt im Kopf an – oder auf der Führungsebene

Der Trend in Unternehmen, sich mit neuen Arbeitsmodellen im Sinne von New Work zu beschäftigen, bietet den idealen Rahmen, um alte Strukturen aufzubrechen und dem wichtigen Thema psychische und physische Gesundheit einen höheren Stellenwert im Arbeitsalltag einzuräumen. Und obwohl flachere Hierarchieebenen ein Aspekt bei New Work sind, besteht Tatjana bei der Umsetzung von Gesundheitsthemen auf einen Top-Down-Ansatz: „Es bringt nichts, wenn die Mitarbeiter geschult sind und wissen, wie sie sich in ihrer Resilienz stärken, aber die Führungskräfte sagen, das ist mir doch egal.“

Grundsätzlich ist aber auch die Mitarbeit jedes einzelnen Arbeitnehmers gefragt. „Die Menschen machen sich selber viel Druck“, weiß Tatjana und meint damit nicht nur Druck von außen und ständige Erreichbarkeit. „Es ist vielmehr die Unfähigkeit, sich im Privatleben abgrenzen zu können.“ Denn wer auf der Arbeit gestresst ist, macht sich oft auch in der Freizeit Stress, hetzt von einer selbst gemachten sozialen Verpflichtung zur nächsten.

Wertschätzung, Handlungsspielraum, Gerechtigkeit

Was kann aber der Arbeitgeber überhaupt tun, wenn der Stress über die Grenzen der Arbeit hinaus geht und damit nicht mehr in seinem Einflussbereich liegt? Hier spielt das Thema Eigenverantwortung und Selbstfürsorge eine große Rolle. „Viele Untersuchungen zeigen, dass dieser Bereich sehr gut beeinflussbar ist, egal ob wir dabei über die neue oder alte Arbeitswelt sprechen. Das Wichtigste dabei sind Wertschätzung, Handlungsspielraum, Gerechtigkeit und soziale Unterstützung“, zählt Tatjana auf. „Wenn Führungskräfte und Teams es schaffen, diese Punkte zu leben, fördert das die mentale Gesundheit.“

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„Das Prinzip Selbstfürsorge“ von Tatjana Reichhart

Nur wer für sich selbst sorgt, kann den Anforderungen des Alltags standhalten. Und wer sich um sich selbst kümmert, kann auch für andere sorgen. Tatjana weiß aus ihrer langjährigen Praxis, wie wir lernen können, auf uns zu achten, herausfinden, was uns wirklich guttut, und uns dafür Freiräume schaffen.

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Auch wenn es gelingt, eine solche Haltung umzusetzen, bleibt das Thema mentale Gesundheit auch weiterhin ein zentrales Thema. Wir sind und bleiben Menschen und sind damit immer anfällig für körperliche und geistige Krankheiten. Und noch ein Punkt erfordert es, mentale Gesundheit nachhaltig zu fördern: Mit den anstehenden Veränderungen der Arbeitswelt durch die Digitalisierung, wird Kreativität immer wichtiger. „Und nur gesunde Menschen können kreativ sein“, sagt Tatjana.

„Nur gesunde Menschen können kreativ sein.“

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Wenn immer mehr monotone Aufgaben von der Automatisierung abgelöst werden, bleiben vor allem die kreativen Herausforderungen übrig. Trotzdem muss der Rahmen stimmen. Selbst wenn du in deiner kreativen Arbeit aufgehst und Überstunden dir nichts ausmachen, darf Arbeit nicht alles sein, meint Tatjana: „Der Mensch braucht einen Ausgleich. Es ist wie bei einem Baum. Ein einzelner Wurzelzweig reicht nicht für eine stabile Basis.“ Deshalb wird es künftig immer mehr Menschen geben, die mehr als eine Karriere verfolgen und dabei vor allem durch ihre Passion getrieben werden. Sind mehr Freiheiten im Grunde kontraproduktiv? Es kommt immer auf den Rahmen an.

Mehr dazu erfährst du im Video, unter anderem zu folgenden Themen:

Sabrina Quente
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Sabrina ist freie Autorin für Versicherung und Digitalisierung sowie Gesundheitshemen. Sie war Redakteurin bei Fachzeitschriften und lernte als Content Editor bei ottonova die vielen Facetten der Versicherungswelt kennen.

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