Arbeit der Zukunft: Wie Corona neue Konzepte voranbringt
Schneller, flexibler, digitaler: Die aktuelle Debatte um die Arbeit der Zukunft ist geprägt von dem Wunsch nach Veränderung. Dabei zeigt die Coronakrise vielen Unternehmen, dass sie ihre Grenzen überdenken müssen, um erfolgreich zu bleiben. Wie kann New Work die Arbeitswelt zum Positiven wenden?
Inhalt des Ratgebers
Das Coronavirus hat innerhalb von Monaten die weltweite Wirtschaft umgekrempelt. Zum Schlechteren möchte man auf den ersten Blick meinen. Schaut man aber genauer hin, zeigt sich, dass sich gerade zahlreiche Möglichkeiten auftun, die zuvor so nicht denkbar gewesen wären. Corona hat auf die Arbeitswelt gewirkt wie ein Katalysator, der uns zwingt, unkonventionelle Wege zu finden und die Arbeit der Zukunft neu zu erfinden. Es stellt sich also die berechtigte Frage: Ist Corona für die Arbeit der Zukunft gar keine Katastrophe, sondern im Gegenteil sogar eine große Chance? Wir haben uns Arbeitskonzepte rund um das Thema New Work angesehen und wagen einen Blick in die Zukunft – im Großen und im Kleinen.
Die Arbeit der Zukunft wird ein Produkt rapider Digitalisierung sein
Wenn Corona eines gezeigt hat, dann dass viele deutsche Firmen in Sachen Digitalisierung weit zurückhängen – denn bisher hat es schließlich immer funktioniert. Die Coronakrise hat sich wie ein riesiger Scheinwerfer auf diese Defizite gerichtet und Unternehmen gezwungen, das nachzuholen, was sie seit Jahren auf der Agenda hatten, aber nie umgesetzt haben. Während in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Digitalisierung zwischen Unternehmen und ihren Kunden voranschritt, zieht nun die Digitalisierung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach. Wer bei der Digitalisierung und Automatisierung der Prozesse nicht mitziehen kann, riskiert nicht nur wirtschaftliche Nachteile, sondern auch massive Probleme mit der Motivation seiner Mitarbeiter.
Neue Arbeitskonzepte bieten mehr Flexibilität
In der Coronapandemie mussten viele Unternehmen lernen, dass unflexible Strukturen und die Präsenzarbeit zu festen Zeiten für Arbeitnehmer nicht immer tragbar sind und im Widerspruch zu einem ausgeglichenen Lebenskonzept stehen, in dem Arbeit nicht den Arbeitnehmer in seiner Selbstverwirklichung behindert, sondern ihn unterstützt. In dem Wandel, der sich in den letzten Jahren vollzieht, wurden einige neue Konzepte gefunden und Begriffe wie Smart-Working geprägt, die alle eine höhere Eigenverantwortung und Flexibilität der Mitarbeiter zum Ziel haben und dank der Krise an Relevanz gewonnen haben. Einige davon überschneiden sich und unterliegen keiner fixen Definition. Folgende Begriffe und Konzepte geben einen guten Überblick über die Arbeit der Zukunft:
Home-Office und Remote-Work
Das Home-Office ist alles andere als eine neue Arbeitsform. Und doch kommt es erst jetzt in der breiten Masse an – auch bei Unternehmen, die sich so lange wie möglich dagegen gewehrt haben. Home-Office bedeutet, dass die Arbeitgeber von zu Hause aus arbeiten. Das heißt wiederum, dass im eigenen Heim ein voll ausgestatteter Arbeitsplatz eingerichtet sein muss. Dass dieser allen gesetzlichen Vorgaben bezüglich des Arbeitsschutzes entspricht, ist Sache des Arbeitgebers. Das bedeutet auch, dass der Arbeitnehmer nur von ebendiesem Arbeitsplatz im Home-Office arbeiten darf.
Anders verhält es sich mit dem Remote-Working, auch mobiles Arbeiten genannt. Bei diesem Arbeitskonzept sind die Mitarbeiter in der Wahl ihres Arbeitsplatzes (und oft auch in der Wahl ihrer Arbeitszeiten) frei, auch wenn natürlich dennoch das Arbeitsschutzgesetz sowie das Arbeitszeitgesetz greifen.
Beliebt könnte auch eine Kombination zweier Arbeitskonzepte werden, das sogenannte hybride Arbeiten. Dabei entscheiden die Mitarbeiter frei, ob sie im Büro oder zu Hause, beziehungsweise remote arbeiten möchten.
Ein von Microsoft geprägter Begriff ist der sogenannte Work-Life-Flow. Dieses Konzept soll als Teil der Bewegung rund um New Work den Begriff der Work-Life-Balance ablösen. Das bedeutet konkret, dass Arbeit und Privatleben keinen Gegensatz mehr darstellen, sondern ineinander übergehen sollen. In der Praxis kann das vieles bedeuten: zum Beispiel die Möglichkeit zu Remote-Working, aber auch die Einführung der Vertrauensarbeitszeit. Mittags eine Stunde mit dem Hund rauszugehen, den Friseurtermin auf Dienstagvormittag zu legen oder am Freitag einfach zwei Stunden weniger zu arbeiten, ist dann kein Problem mehr. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, sich nach dem Abendessen mit der Familie noch einmal an den Laptop zu setzen, weil das Projekt noch nicht abgeschlossen ist.
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Die 4-Tage-Woche
In einem Vollzeitjob fünf Tage pro Woche zu arbeiten, ist eine Konvention, die bis vor Kurzem fast niemand hinterfragt hat. Ist es jedoch wirklich die beste Lösung, vierzig Stunden die Woche am Schreibtisch zu sitzen? Nicht unbedingt, beweist eine Studie aus Neuseeland, die eine Firma bei der Einführung der 4-Tage-Woche begleitet hat. Dieser zufolge seien die Mitarbeiter weniger gestresst, glücklicher und dabei so produktiv gewesen, dass es zu keinen Einbußen bezüglich der Menge der erledigten Arbeit kam. Sowohl bei dieser als auch bei anderen neuen Arbeitsformen kommt es verstärkt darauf an, sogenannte „Fake Work“ zu identifizieren und zu vermeiden – also zum Beispiel unnötige Meetings oder Verwaltungs- und Dokumentationsvorgänge, die entweder mithilfe von digitalen Tools automatisiert oder verschlankt oder einfach vollkommen gestrichen werden können. Auf diese Weise können sich die Mitarbeiter auf das Wesentliche konzentrieren.
Das Coworking
Wer als Selbstständiger in einer Großstadt lebt, kommt an Coworking praktisch nicht mehr vorbei. Bei dieser Arbeitsform teilen sich viele Menschen ein Großraumbüro, das sie flexibel nutzen können. Das spart nicht nur Geld für das eigene Büro, sondern bringt auch die Möglichkeit mit sich, Kontakte zu knüpfen und der Einsamkeit des Home-Offices zu entfliehen. Auch für Unternehmen könnte Coworking interessanter werden. Denn dieses verfügt unter anderem über eine kreative Atmosphäre und bietet die Möglichkeit für innovative Bürokonzepte, die viele Unternehmen in ihren klassischen Büros nicht bieten können. So stellt Coworking eine einfache Möglichkeit dar, Mitarbeitern mehr Flexibilität zu gewähren.
Nicht jeder wünscht sich neue Arbeitsformen
Neue Arbeitsformen zu implementieren, kann einem Team helfen, selbstbestimmter, motivierter und schließlich auch kompetenter zu werden. Allerdings ist ein neues Arbeitskonzept kein Selbstläufer und schon gar kein Allheilmittel. Nicht jeder Mitarbeiter wünscht sich Flexibilität und nicht jeder Arbeitnehmer möchte von zu Hause arbeiten – viele wünschen sich stattdessen das Festhalten an festen Strukturen und einer Präsenzkultur. Kein Wunder, denn mit der Einführung von flexiblen Modellen kommen auch neue Belastungen für Arbeitnehmer hinzu, die sich gerade heutzutage besonders zeigen. Dazu gehört zum Beispiel die Erwartung ständiger Erreichbarkeit vonseiten des Arbeitgebers und die fehlende Trennung von Privatem und Geschäftlichem. Vielen fehlt aber auch der Gemeinschaftssinn, der entsteht, wenn ein Team zu festen Zeiten an einem festen Ort zusammenarbeitet. Verstärkter Stress, Burn-out und eine zunehmende Distanzierung vom Unternehmen, aber auch von den Kollegen, können die Folgen sein.
Wie Arbeitgeber auf neue Arbeitsformen reagieren sollten
Die von der Krise vorangetriebenen Veränderungen und der Druck zur Innovation verlangen ein schnelles Umdenken nicht nur von Mitarbeitern, sondern auch von Arbeitgebern. Um das Team fit für den sich verändernden Markt zu machen, müssen sie neue Prioritäten setzen. Führungskräfte sind jetzt mehr als je zuvor gefragt, ihr Team zum Erlernen neuer Fähigkeiten zu motivieren, ihre Lernmentalität zu stärken und Weiterbildungen wahrzunehmen. New Work stellt die Notwendigkeit zur Anpassung noch mehr in den Vordergrund, denn erfolgreich kann nur werden, wer immer am Ball bleibt, neue technologische Möglichkeiten ausschöpft und auf jede Veränderung reagiert. Die Voraussetzung dafür ist ein Team, das aktiv seine Kompetenzen erweitert und sich den Herausforderungen der Arbeit der Zukunft stellt. Klassische Stellenbeschreibungen müssen überdacht und neue Positionen gefunden werden, um „out of the box“ zu denken und nicht in überholten Kategorien zu arbeiten.
Für Führungskräfte wird es also Zeit, dass sich der Fokus von einem oftmals vorherrschenden Kontrollgedanken wegbewegt. Denn erfolgreich wird mit neuen Arbeitskonzepten und digitalen Strukturen nur, wer eine gute Vertrauensbasis zu seinen Mitarbeitern aufbaut. Dazu gehört es, als Führungskraft offenzubleiben und individuelle Arbeitsgewohnheiten der Mitarbeiter nicht zu hinterfragen, sondern zu stärken. Viele Vorgesetzte lernen dank der Coronakrise, wie wichtig es ist, ihrem Team Eigenverantwortung zuzutrauen und engmaschige Leistungsüberwachung zu lockern. Damit sie damit erfolgreich sein können, müssen gemeinsame Ziele gesetzt und der Gemeinschaftssinn gestärkt werden. Vor allem letzteres wird eine der größten Herausforderungen für Manager sein. Denn um ein virtuell arbeitendes Team zusammenzuhalten, ist nicht nur organisatorisches Geschick, sondern auch viel Empathie und Kommunikationsfähigkeit notwendig.
In einer weltweiten Studie hat Salesforce Research Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu der Arbeit der Zukunft befragt und wollte wissen, was Unternehmen jetzt tun können, um die Basis für einen positiven Wandel zu schaffen. Dies sind die Prioritäten, die sich die Arbeitnehmer wünschen:
Psychische Gesundheit
Arbeitsplatzgestaltung
Technologien für eine sichere Arbeitsumgebung
Ortsunabhängiges Arbeiten
Fort- und Weiterbildungen
Doch auch, welche Kompetenzen die Arbeitnehmer bei sich selbst als besonders wichtig einschätzen, um erfolgreich aus der Krise zu kommen, wollte Salesforce Research wissen. Das waren die Antworten der Befragten:
Build Back Better: Die Arbeit der Zukunft in der Gesamtwirtschaft
Unternehmen verändern sich im Kleinen, legen mehr Wert auf Smart-Working und setzen neue Prioritäten. Doch wie sieht es mit der Wirtschaft als Ganzes aus? Welche Veränderungen müssen hier vonstattengehen, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen?
Die Rede ist in diesem Zusammenhang oft von der „Build back better“-Strategie, welche die Coronakrise als Anlass für einen Richtungswechsel in der Wirtschaft sieht. Ihr zufolge wäre es ein großer Fehler, wieder zum „business as usual“ zurückzukehren, es sich also zum Ziel zu setzen, nach der Krise genauso weiterzumachen wie bisher. War bisher das wirtschaftliche Wachstum der unangefochtene Maßstab einer erfolgreichen Wirtschaft, soll sich das nun ändern – und zwar zugunsten des Wohlbefindens der Bevölkerung und des Umweltschutzes. Denn wird letzterer nicht Teil der Gleichung, könnten noch weitaus verheerendere Folgen als Covid-19 auf uns warten. Es soll also in Maßnahmen investiert werden, welche die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft und Gesellschaft bei zukünftigen Katastrophen stärken und so negative Folgen abfedern – umweltschädliche Investitionsmuster müssten also reduziert werden.
Nur ganzheitliche Lösungsansätze führen ans Ziel
Einen Kompromiss zwischen Umweltschutz und Wachstum könnte eine sogenannte Circular Economy bieten. Bei dieser steht ein Nachhaltigkeitsgedanke im Mittelpunkt – das Ziel muss es also sein, heute so zu wirtschaften, dass die Wirtschaft der Zukunft nicht darunter leidet. Um das zu erreichen, sollen Ressourcen besser genutzt und recycelt und umweltfreundliche Materialien entwickelt werden. Dieses Vorgehen soll nicht nur die Umwelt schützen, sondern auch zahlreiche neue Jobs und gesellschaftlichen Nutzen schaffen und damit nicht im Widerspruch zu wirtschaftlichem Wachstum stehen, sondern diesen weiterhin auf eine nachhaltige Weise ermöglichen.
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Die Arbeit der Zukunft ist nicht die einzige Herausforderung in Sachen Krisenbewältigung. Auch der globale Ansatz, welcher für schnelles Wachstum in vielen Ländern gesorgt hat und ein Weg aus der Armut für viele Gesellschaften darstellt, hat sich während der Krise in seiner aktuellen Form als Risikofaktor herausgestellt. Denn die Coronapandemie hat dafür gesorgt, dass Ungleichheiten wieder wachsen und die Schwächen eines Systems aufgezeigt, in dem Millionen von Menschen in unsicheren Gewerben wie der Textilindustrie ihre Arbeit und damit ihre Lebensgrundlage verlieren, sobald die Nachfrage sinkt oder eine Lieferkette zusammenbricht. Die Frage, ob die westliche Wirtschaft sich auf eine lokale Produktion konzentrieren sollte, um für mehr Sicherheit und Zuverlässigkeit zu sorgen, ist deshalb ein zweischneidiges Schwert.
Sicher ist hingegen, dass die Entwicklungszusammenarbeit sich noch mehr in eine globale Richtung entwickeln sollte, um in weltweiter Zusammenarbeit Risiken vorzubeugen und einen Fokus auf Nachhaltigkeit und Sicherheit zu legen. Denn die Vorbereitung auf weitere Krisen liegt nicht in der Verantwortlichkeit einzelner Länder, sondern der ganzen Welt. „Focus on the furthest behind first and enhance flexibility“ rät Navid Hanif, Director of Financing for Sustainable Development Office im UN- Department of Economic and Social Affairs.
Weltweite Katastrophen, seien es gesundheitliche, wirtschaftliche oder soziale Krisen, bringen neben all ihren verheerenden Auswirkungen immer die Möglichkeit auf eine positive Weiterentwicklung durch Umdenken mit sich. Das zeigt zum Beispiel der Zweite Weltkrieg, der in den Bemühungen um einen besseren Schutz des Weltfriedens resultierte und schließlich die Vereinten Nationen hervorbrachte – weil man aus Fehlern, die durch Nationalismus hervorgebracht worden waren, gelernt hatte.
Im Falle der Coronakrise bleibt abzuwarten, ob neben der Arbeit auch das Gesundheitssystem von der Coronakrise profitieren wird. Höhere Investitionen, sowohl in die physische als auch in die digitale Infrastruktur, sind eine Voraussetzung dafür, Gesundheitskrisen in der Zukunft besser gewachsen zu sein.
Wie sich das Gesundheitssystem aufgrund von Corona verändern wird, lässt sich heute schon absehen. Wir informieren dich, welche Trends zu erwarten sind. Auch ottonova zieht einige Schlüsse aus der Krise. Mehr über unser Fazit von 2020 und welche neuen Wege wir 2021 einschlagen, erfährst du hier. Nicht zuletzt soll in der Zukunft auch eine geschlechtersensiblere Forschung in der Medizin Einzug halten.
HIER SCHREIBTMarie-Theres Rüttiger
Marie-Theres ist Online Redakteurin für Gesundheits- und Versicherungsthemen bei ottonova. Sie konzipiert den Redaktionsplan, recherchiert und schreibt vor allem über (E-)Health und Innovation, die das Leben besser machen.