Die Wurzelspitzenresektion ist häufig die letzte Möglichkeit, einen von Bakterien befallenen Zahn zu retten. Doch mehr als jeder zweite Deutsche hat Angst vor dem Zahnarztbesuch (1), gelten doch gerade Behandlungen an der Zahnwurzel als unangenehm. Stimmt das Vorurteil? Wie läuft die Wurzelspitzenresektion (WSR) ab? Wie hoch sind die Risiken?
Medizinisch geprüft.von Zahnarzt Dr. Jens Gottschalk.
Inhalt des Ratgebers
Wann ist eine Wurzelspitzenresektion (WSR) notwendig?
Eine Wurzelspitzenresektion steht etwa an, wenn Bakterien bis ins Innere des Zahnes vorgedrungen sind, Entzündungen verursachen und die Zahnwurzel befallen. In manchen Fällen hat sich nicht nur die Zahnwurzel entzündet, sondern auch das Gewebe an der Wurzelspitze bis zum Kieferknochen hinein.
Somit stellt sie die letzte Maßnahme zum Zahnerhalt dar. Dabei handelt es sich um eine fortgeschrittene Karies, die starke Schmerzen hervorrufen kann. Die Beschwerden entstehen im Rahmen einer Entzündung: Die Gefäße dehnen sich aus und drücken auf benachbarte Nerven. Spätestens wenn der Zahnnerv betroffen ist, ist eine möglichst rasche Behandlung angesagt. Andernfalls kann die Entzündung auf das Weichgewebe übergehen und etwa zu einem Abszess führen. Die typische "dicke Backe" entsteht.
Wer sich mit Zahnschmerzen in der Zahnarztpraxis vorstellt, erhält jedoch nicht automatisch eine Wurzelspitzenresektion. Häufig ist die Wurzelkanalbehandlung die erste Wahl. Schlägt sie fehl, kann eine erneute Wurzelkanalbehandlung stattfinden, die sogenannte Wurzelkanalrevision. Die Wurzelspitzenresektion kommt häufig dann zum Einsatz, wenn der Wurzelkanal nach einer vorangegangenen Behandlung immer noch entzündet ist. Möchte der Patient keine Wurzelspitzenresektion durchführen lassen, ist die Extraktion des Zahns meist die einzige Alternative, der der Erhalt des Zahns nicht mehr möglich ist.
Mögliche Indikationen einer Wurzelspitzenresektion:
Die Entzündung der Wurzelspitze konnte bei einer Wurzelbehandlung oder Wurzelspitzenrevision (Wiederholung der Wurzelbehandlung) nicht entfernt werden.
Die Wurzelkanäle sind so gelegen, dass sie schwer zu behandeln sind.
Es bestehen Verletzungen oder Frakturen der Wurzel.
Im Bereich der Wurzelspitze befinden sich Zysten oder womöglich ein Tumor.
Die Wurzelspitzenresektion ist die letzte Chance eines Zahnes bzw. zum Zahnerhalt: Sie ermöglicht es, entzündete Zähne samt Wurzel zu erhalten. Schlägt auch sie fehl, muss der Zahn entfernt werden. Dann müsste im nächsten Schritt die Versorgung der entstandenen Lücke geplant werden.
Ablauf der Wurzelspitzenresektion
Die Wurzelspitzenresektion gehört zu den gut erprobten Standardeingriffen der Zahnmedizin. Diese Operation wird in Deutschland etwa 500.000 mal pro Jahr durchgeführt. (2) Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um den Eingriff für die Patienten so angenehm wie möglich zu gestalten, zum Beispiel durch eine Lachgassedierung, einer Sedierung mit Dormicum oder durch eine Vollnarkose.
Schritt für Schritt zu gesunden Zähnen:
Schritt: Um an die Zahnwurzel zu kommen, muss zunächst das Zahnfleisch und die Knochenhaut abgelöst werden.
Schritt: Der Zahnarzt entfernt nun das entzündete Gewebe rund um die Wurzelspitze vollständig. Auch zwei bis drei Millimeter der Wurzelspitze werden entfernt. Manche Zahnärzte verwenden für den Eingriff ein OP-Mikroskop, um die Schnitte am Kanal möglichst klein zu halten und das Zahnfleisch zu schonen. So steigt auch die Chance, dass belastetes Gewebe innerhalb des Wurzelkanals möglichst vollständig beseitigt wird.
Schritt: Alle Wurzeln werden nun gründlich gereinigt und mit einer Füllung verschlossen. In manchen Fällen wird der Zugang zur Wurzelspitze des erkrankten Zahnes mit einer Membran oder einem Zahnfleischtransplantat versiegelt.
Schritt: Der Zahnarzt vernäht das Zahnfleisch, damit die Wunde gut heilen kann und keine weiteren Infektionen entstehen.
Schritt: Schlussendlich wird der Eingriff mit einem Röntgenbild beendet, damit die Wurzelfüllung nochmal kontrolliert werden kann.
Schritt: Nach sieben bis zehn Tagen werden die Nähte entfernt. Um die Heilung des Knochens zu überprüfen, wird nach drei bis sechs Monaten nochmals eine Röntgenkontrolle durchgeführt.
Nach der Wurzelspitzenresektion können die Betroffenen selbst zu einer erfolgreichen Wundheilung des Gewebes beitragen.
Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenversicherung
Bei der Kostenübernahme der Behandlungskosten einer Wurzelspitzenresektion durch die gesetzliche Krankenversicherung, gibt es ein paar Dinge zu beachten:
Die Kosten, die bei einer Wurzelspitzenresektion anfallen, übernimmt die gesetzliche Krankenkasse meist nur im Front-und Seitenzahnbereich. Zudem muss der Zahn vom behandelnden Zahnarzt als erhaltungswürdig eingestuft werden.
Es gibt weitere Ausnahmefälle, in denen die Krankenkasse die Kosten übernimmt: Zum Beispiel wenn der betreffende Backenzahn sich in einer vollständigen Zahnreihe befindet und noch keine Lücke besteht.
Verhaltenstipps nach dem operativen Eingriff:
Um den Heilungsprozess zu fördern, sollten Patienten und Patientinnen bestimmte Empfehlungen nach einer Wurzelspitzenresektion folgen:
Mundhygiene: Es ist sinnvoll, die Wunde der Wurzelspitzenresektion beim täglichen Zähneputzen auszusparen, um sie zu schonen.
Coolpacks: Kühlung reduzieren die Schwellungen und führen zu einer Linderung der Schmerzen (Kühlelemente am besten in ein Geschirrtuch einschlagen).
Genussmittel: Auf Nikotin und Alkohol in den drei folgenden Tagen nach dem Eingriff besser verzichten!
Essen: Weiche Lebensmittel eignen sich besonders, um das Gewebe beim Kauen zu schonen. Am besten ist es, mit dem Essen zu warten, bis die Betäubung abklingt.
Alle Fakten rund um die Wurzelspitzenresektion auf einen Blick:
Dauer: rund 30 Minuten
Betäubung: Lokalanästhesie (Vollnarkose oder Dämmerschlaf je nach Zahnarzt ebenfalls möglich)
Schmerzen: mehrere Tage nach dem Eingriff möglich
Krankschreibung: 2 - 3 Tage nach Wurzelspitzenresektion
Krankenhausaufenthalt: nicht notwendig
Schwellung: 1 - 7 Tage
Sport, Gartenarbeit, Sauna, Sonne: nach 3 - 7 Tagen
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Die Erfolgsraten der Wurzelspitzenresektion liegen bei rund 82 Prozent!
Die Erfolgsraten werden in der Literatur mit 82 Prozent angegeben, was erst einmal recht vielversprechend klingt. Je nach Patientenkollektiv und Fachzahnarzt kann die Erfolgsquote der Wurzelspitzenresektion allerdings auch niedriger oder höher ausfallen.
Bei einer Studie der Ruhr-Universität Bochum mit 417 Teilnehmern wurde eine Erfolgsrate von 67 Prozent festgestellt (2). Eine weitere Studie, die den Erfolg von endoskopischer Wurzelspitzenresektionen untersuchte, kam auf 91,2 Prozent. (3) Hier legt die Vermutung nahe, dass die Kontrolle des Operationsgebietes durch ein bildgebendes Verfahren die Erfolgschancen erhöht.
Trotz anfänglicher Erfolge kann es nach mehreren Jahren passieren, dass der behandelte Zahn verloren geht. Einer Studie zufolge waren nach 12 Jahren noch rund 40 Prozent der Zähne intakt. (4)
Über Erfolg oder Misserfolg der Wurzelspitzenresektion entscheidet unter anderem eine gute Patientenselektion: Bei einer Entzündung der Wurzelspitze muss der Zahnarzt prüfen, ob die Zähne noch erhaltungswürdig sind. Bei manchen fällt diese Entscheidung leicht, bei anderen ist sie schwierig.
Wann es keinen Sinn macht, einen entzündeten Zahn zu erhalten
Zunächst einmal ist wichtig zu wissen, dass kein Zahnersatz so gut ist wie die eigenen Zähne, die durch eine Wurzelspitzenresektion erhalten werden können. Deshalb versuchen Zahnärzte in der Regel, erhaltungswürdige Zähne an Ort und Stelle zu belassen.
Diagnostik: Es gilt also genauestens zu prüfen, ob die Zähne nicht doch gerettet werden können. Bei einer größeren Entzündung kann der Zahnarzt allerdings zu dem Schluss kommen, dass die Zahnerhaltung wenig erfolgversprechend ist.
Gründe gegen den operativen Eingriff:
Nicht nur die Wurzelspitze, sondern der ganze Zahn ist aufgrund von Karies großflächig zerstört.
Der Zahn ist bei einem Unfall stark geschädigt worden - eine Zahnfüllung kann ihn nicht stabilisieren.
Der Knochen hat sich so weit zurückgezogen, dass die Zähne nicht mehr stabil sind.
Es liegen systemische Erkrankungen wie Diabetes vor. (5)
In diesem Fall kann eine Zahnextraktion sinnvoll sein. Nach der Entfernung (Resektion) kann der Zahnarzt die Lücke durch eine Brücke oder ein Implantat mit Zahnkrone verschließen.
Risiken einer Behandlung im Bereich der Wurzelspitze
Jeder operative Eingriff ist mit gewissen Risiken verbunden. So auch die Wurzelresektion.
Zu häufigen Nebenwirkungen der Operation gehören:
Schmerzen
Schwellungen
Blutergüsse
Gelegentlich treten bei einer WSR auch auf:
Blutungen bis zu drei Tagen nach dem Eingriff
Infektionen und Wundheilungsstörungen
Öffnung der Kiefernhöhle
Selten sind:
Schädigung benachbarter Zähne
Schäden der benachbarten Zahnwurzeln und des umliegenden Gewebes
Wurzelfraktur
Eindringen von Keimen in die Mundhöhle
Extrem selten sind:
Gefühlsstörungen in der Unterlippe
Narben, die Beschwerden verursachen
Fazit
Patienten und Patientinnen müssen sich weder vor einer Wurzelkanalbehandlung noch vor einer Wurzelspitzenresektion fürchten. Dank Lokalanästhesie und Schmerzmittel lassen sich die Beschwerden gut eindämmen. Nach der Behandlung der Wurzelspitze ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihnen ihre Zähne noch einige Jahre erhalten bleiben werden.
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Die Kosten der Wurzelresektion trägt die gesetzliche Krankenversicherung, wenn der Zahn erhaltungswürdig ist und sich im Front- oder Seitenzahnbereich befindet.
Bei Backenzähnen übernimmt die Kasse die Kosten der Behandlung nur, wenn:
die Behandlung dafür sorgt, dass vom Ende bis zur Mitte des Kiefers alle Zähne erhalten bleiben.
die Wurzelresektion eine einseitige Verkürzung der Zahnreihe verhindert.
der Zahn für bereits vorhandenen Zahnersatz eine wichtige Rolle spielt (zum Beispiel als Anker für Prothesen).
Eine private Leistung sind Extras wie:
Lupenbrille oder OP-Mikroskop
minimalinvasive OP-Instrumente
bestimmten Wurzelfüllungen
Laserlicht zur Beseitigung von Bakterien
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Dank der lokalen Betäubung merken viele Betroffenen gar nicht, wie der Zahnarzt die Wurzelspitze entfernt. Nach der Wurzelspitzenresektion sind Schmerzen dagegen recht häufig. Einer Studie zufolge reagieren ängstliche Patienten, jüngere Menschen und Frauen besonders sensibel darauf. (6) Zahnärzte verschreiben meist Schmerzmittel, um die ersten Tage nach der Behandlung angenehmer zu gestalten. In der Regel klingen die Schmerzen nach rund einer Woche ab. Danach kann der behandelte Bereich der Spitze allerdings noch sensibel sein, was sich zum Beispiel beim Kauen bemerkbar macht.
Die Dauer des Eingriffs einer Wurzelspitzenresektion ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei manchen Patienten reichen bereits 15 Minuten aus, um zwei bis drei Millimeter der Wurzelspitze zu entfernen und den Zahn zu verschließen. Auch die Lage des Zahns spielt eine Rolle. Bei schwer zugänglichen Backenzähnen kann die Wurzelspitzenresektion bis zu 45 Minuten dauern. Manche Zahnärzte bieten ihren Patienten eine Videobrille an, damit die Zeit schneller vergeht. Alternativ können sich die Patienten auch selbst Kopfhörer mitnehmen und auf einem Ohr Musik hören.
Wenn ein Zahn erhaltungswürdig ist, eine Wurzelkanalbehandlung aber gescheitert ist, kann eine Wurzelspitzenresektion durchaus sinnvoll sein. Schließlich können Patienten durch die Entfernung der Wurzelspitze Zahnersatz umgehen. Obwohl moderner Zahnersatz sowohl aus ästhetischer als auch aus funktionaler Sicht überzeugt, kommt er dennoch nicht an eine natürliche Zahnkrone heran. Für die Patienten ebenfalls von Bedeutung sind die hohen Kosten, die häufig mit hochwertigem Zahnersatz verbunden sind. Deshalb lohnt es sich, zunächst zu versuchen, die Zähne im Rahmen einer Wurzelbehandlung oder Wurzelspitzenresektion zu erhalten.
Die Heilung nach einer Wurzelspitzenresektion dauert länger, da es sich nach der Behandlung um vernähte Wunden handelt. Nach einem Zeitraum von 7 bis 10 Tagen werden die Fäden gezogen und eine Nachkontrolle durch den Zahnarzt durchgeführt. In dieser Heilungsphase ist die Weichgewebswunde verheilt. Der Heilungsverlauf des Knochens dauert jedoch länger, sodass ein Termin zur Nachkontrolle (Röntgenbild) 3 Monate nach der Wurzelspitzenresektion nötig ist.
Quellen:
(1) Arbeitskreis Psychologie und Psychosomatik in der DGZMK (AKPP), Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK): S3-Leitlinie "Zahnbehandlungsangst bei Erwachsenen. www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/083-020l_S3_Zahnbehandlungsangst-beim-Erwachsenen_2019-11.pdf, abgerufen am 17.09.2021
(2) Fiedler, Tanja: Nachuntersuchung der Erfolgsraten der Wurzelspitzenresektion in einer privaten Praxisklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Zahnmedizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. hss-opus.ub.rub.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/3788/file/diss.pdf, abgerufen am 17.09.2021
(3) Eigenwillig, Albrecht: Vergleichende Untersuchung zur Bewertung des Therapieerfolges der endoskpopisch kontrollierten Wurzelspitzenresektion im Vergleich zum konventionellen Vorgehen. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor medicinae dentariae (Dr. med. dent). www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00012742/Eigenwillig/dissertation.pdf, abgerufen am 17.09.2021
(4) Schmid, Helene: Retrospektive Evaluation des Langzeiterfolges von Wurzelspitzenresektionen. Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Zahnheilkunde der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. macau.uni-kiel.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dissertation_derivate_00008344/HELENE_SCHMID_EVALUATION_WSR_(20.06.19).pdf, abgerufen am 17.09.2021
(5) Nkenke, E.: Wurzelspitzenresektion oder Implantatinsertion, in: Der MKG-Chirurg, Bd. (3), 2010, link.springer.com/article/10.1007/s12285-009-0141-y, abgerufen am 17.09.2021
(6) Fischer, A., Hannich H. J., Sümnig W.: Schmerz- und Angsterleben bei ambulanten Operationen in Lokalanästhesie im Bereich der Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie, in: Das Deutsche Zahnärzteblatt, Bd. (6), 2012, www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0032-1322442, abgerufen am 17.09.2021
Dr. Jens Gottschalk ist seit 1997 Zahnarzt und praktiziert seit 2003 in seiner eigenen Praxis im Herzen Münchens. Er betreut seine Patienten in allen Belangen der Zahnheilkunde und ist spezialisiert auf die ästhetische und funktionelle Versorgung komplexer Zahnsituationen.