Schäfchen zählen war gestern: Mit der Einschlafhilfe Melatonin sollen Anwender schneller einschlafen oder den Jetlag verkürzen können. Die richtige Einnahme ist aber gar nicht so einfach – und was sagt eigentlich das Gesetz dazu, wenn ein Hormonpräparat rezeptfrei gekauft wird?
Inhalt des Ratgebers
„Ich bin morgens immer müde, aber abends werd ich wach“, beklagte die Sängerin Trude Herr schon im Jahr 1960. Seitdem hat sich nicht viel verändert – auch heute leiden viele unter Schlaflosigkeit und einer schlechten Schlafqualität. Und während sich das Lied unbeschwert mitträllern lässt, stellt das eigentliche Problem für Betroffene eine große Belastung dar. Wäre es nicht schön, wenn es ein natürliches Schlafmittel gäbe, das hier Abhilfe schaffen kann?
Melatonin als vermeintliches Wundermittel zum Einschlafen wird beispielsweise als Spray, Kapseln, Tropfen, Pulver oder Weichgummis angeboten. Ein wenig davon auf die Mundschleimhaut sprühen und schon soll das Einschlafen besser gehen.
Wenn du dich auch jeden Tag durch Meetings quälst, dir beim Kundengespräch schon einmal fast die Augen zugefallen sind oder du auf dem Weg nach Hause regelmäßig in der Bahn einschläfst, weil du mal wieder bis nachts um drei kein Auge zubekommen hast, kann dieses Versprechen durchaus verlockend klingen.
Aber ist die Einschlafhilfe Melatonin tatsächlich so wirksam wie die Werbung es suggeriert? Und was ist Melatonin überhaupt?
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Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert. Es wird vom Körper selbst hergestellt und hauptsächlich in der Zirbeldrüse synthetisiert. Das geht aber nicht von selbst, denn der Körper ist in der Bildung zum Teil auf Signale von außen angewiesen: genauer gesagt vom Auge.
Denn fällt Tageslicht auf die Netzhaut, signalisiert das dem Körper, dass er die Bildung von Melatonin drosseln soll – ist es hingegen dunkel, wird mehr von dem Hormon produziert. Dieses bedeutet dem Körper dann, dass er seinen Energieverbrauch herabsetzen sowie den Blutdruck und die Körpertemperatur senken kann. Schlafenszeit!
Wenig Licht am Abend kann also dabei helfen die körpereigene Melatoninproduktion anzukurbeln.
Wie wirkt die Einnahme von Melatonin?
Nimmst du Melatonin zum Beispiel als Tablette ein, suggerierst du dem Körper also, dass es Zeit ist herunterzufahren. Sinnvoll ist das jedoch nur in ganz bestimmten Situationen. So ist es zum Beispiel kontraproduktiv, mitten in der Nacht als Einschlafhilfe Melatonin anzuwenden. Denn dann kann es durchaus sein, dass sich dein Rhythmus verschiebt und du noch den ganzen folgenden Vormittag müde bist.
Die Schlafforscherin Dr. Eva Winnebeck weist in dem Podcast „Tagesticket“ des Bayrischen Rundfunks darauf hin, dass die Konzentration von Melatonin im Körper sich zyklisch verhält – abends steigt sie langsam an, in der Nacht ist sie dann hoch und morgens nimmt sie wieder ab. Nehme man nun zum Einschlafen Melatonin, habe man kurzfristig eine sehr hohe Konzentration im Blut, die dann aber auch schnell wieder absinke.
„Was es kann, und zwar in auch sehr, sehr geringen Dosen, ist beim Einschlafen zu helfen. (…) Aber es ist keine Schlafmedikation, die mir dann hilft, wenn ich um drei Uhr früh wachwerde", erzählt Winnebeck weiter.
Erfolgt die Einnahme zu früh oder zu spät, kann dies den natürlich Schlafrhythmus durcheinander bringen, da sich die innere Uhr verstellt.
Deshalb sollte die Einnahme in der Regel immer zur gleichen Uhrzeit rund dreißig Minuten vor der gewünschten Einschlafzeit erfolgen.
Helfen könnte Melatonin unter Umständen bei der Überwindung des Jetlags bei Reisen außerhalb deiner Zeitzone: Richtig eingenommen, fällt es deinem Körper so leichter, sich auf einen neuen Rhythmus einzustellen.
Die rechtliche Lage um Melatonin
In Deutschland gelten Hormone prinzipiell als Arzneimittel – das gilt auch für das Schlafhormon Melatonin. Arzneimittel wiederum sind verschreibungspflichtig. Eigentlich kann Melatonin als Schlafmittel dir deshalb nur ärztlich verschrieben werden und ist als Medikament nur zur kurzzeitigen Anwendung bei Personen über 55 und bei bestimmten Krankheiten wie etwa Autismus-Spektrum-Störungen zugelassen.
Allgemein gilt es deshalb als nicht legal, dieses im freien Handel zu vertreiben. Weshalb gibt es dann aber trotzdem Melatonin-Schlafsprays in der Drogerie oder im Internet zu kaufen?
Der Verkauf von rezeptfreien Melatoninpräparaten wird dadurch möglich, dass sie nicht als Arzneimittel, sondern als Nahrungsergänzungsmittel oder als diätetisches Lebensmittel eingestuft werden. Im Gegensatz zu Arzneimitteln unterliegen Nahrungsergänzungsmittel keiner Zulassungspflicht.
Im Ausland als Arzneimittel zugelassene Präparate zu bestellen oder bei einer Reise mitzubringen, ist nicht erlaubt und aufgrund fehlender Regulierungen und oftmals zu hoher Dosierungen auch nicht empfehlenswert.
Experten empfehlen: Einschlafen mit Melatonin nur mit der richtigen Dosis
Dass die Anwendung von Melatonin in Deutschland geregelt ist, hat seine Gründe. Denn zwar ist das Hormon durchaus wirkungsvoll – genau das ist aber auch das Problem. So kann eine falsche Einnahme den natürlichen Schlafrhythmus aus dem Gleichgewicht bringen und so Schlafprobleme gar noch verstärken.
„Der Teufel liegt im Detail. Man muss das zur richtigen Zeit in der richtigen Dosis nehmen. Sonst kann man auch mehr kaputt machen als man richtet“, erklärt Dr. Winnebeck.
Selbst wenn du dich gut informiert hast, kann es dennoch sein, dass das Schlaf-Experiment misslingt. „In der Forschung stellen wir oft fest, dass man solche Präparate nicht empfehlen sollte, weil da nicht unbedingt die Konzentration drin ist, die drauf steht“, so die Schlafforscherin weiter.
Auch Matthew Walker, Professor der Neurowissenschaften und Psychologie an der University of California, Berkeley, und bekannter Schlafforscher, bestätigt diese Aussage. In den USA sei Melatonin nicht von der Regierung reguliert. Das habe zur Folge, dass je nach Hersteller die tatsächliche Konzentration von Melatonin in den jeweiligen Produkten bis zu 80 Prozent geringer oder bis zu 460 Prozent höher ausfallen kann als auf der Verpackung angegeben. Sogar bei demselben Produkt kann die Konzentration von Packung zu Packung variieren.
Du kannst also bei diesen Mitteln gar nicht wissen, wie viel du wirklich zu dir nimmst, was eine angemessene Dosierung von Melatonin zum Schlafen fast unmöglich macht.
Die meisten Anwender würden die Einschlafhilfe Melatonin überdosieren und etwa 5 oder 10 Milligramm einnehmen, während die meisten Ärzte und Ärztinnen eine Dosis von 0,5 bis 2 Milligramm empfehlen. Denn Präparate seien oft überdosiert.
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Kann die Anwendung von Melatonin Nebenwirkungen haben?
Das Institut für Risikobewertung rät nach der Bewertung vorhandener wissenschaftlicher Daten zur Vorsicht bei der Einnahme von Melatonin. Vor allem in der Schwangerschaft und während der Stillzeit solltest du auf die Einnahme des Schlafhormons zum Beispiel ganz verzichten. Und auch bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Personen mit bestimmten Vorerkrankungen wird von der Einnahme abgeraten.
Neben der Gefahr, deinen Schlafrhythmus aus dem Gleichgewicht zu bringen, kann die Anwendung von Melatonin als Einschlafhilfe zudem weitere unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen wie etwa:
Zudem habe die Einnahme von Melatonin Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel, was die Frage aufwirft, ob es durch die langfristige Einnahme von Melatonin einen Zusammenhang mit Diabetes Typ II geben könnte.
Die gesundheitlichen Risiken vor allem bei der Langzeiteinnahme von Melatonin seien aber wissenschaftlich noch unzureichend untersucht. Eine langfristige Behandlung solltest du deshalb also vermeiden.
Einschlafen mit Melatonin – aber ohne Präparat?
Melatonin wird vom Körper hergestellt. Du kannst selbst Einfluss darauf nehmen, dass der Melatoninspiegel vor dem Zubettgehen erhöht wird und du schneller einschlafen kannst. Auch andere Mittel können dir beim Einschlafen helfen. Das sind unsere Einschlaf-Tipps:
Am wichtigsten ist es, dass du ein bis zwei Stunden vor dem Einschlafen auf helles Licht und vor allem auf blaues Licht von Bildschirmen verzichtest. So signalisierst du deinem Gehirn, dass bald Schlafenszeit ist und der Melatoninspiegel steigt von selbst an.
Verzichte mehrere Stunden vor der Schlafenszeit auf Kaffee, Tee und andere koffeinhaltige Getränke sowie auf Alkohol, welcher die Schlafqualität negativ beeinflusst.
Nutze dein Bett nur zum Schlafen, also nicht tagsüber zum Beispiel zum Arbeiten oder Filmschauen. So ist dein Körper direkt auf Schlaf eingestellt, wenn du dich hinlegst. Im besten Fall solltest du dein Bett von anderen Orten räumlich abgrenzen, die du täglich nutzt (zum Beispiel vom Schreibtisch deines Home-Office).
Gehe während des Tages nach draußen (im besten Fall in die Sonne) und treibe Sport. So kann dein Körper Tag und Nacht besser voneinander trennen, als wenn du den ganzen Tag drinnen verbringst. Deine Melatoninproduktion wird so automatisch geregelt.
Eine einheitliche abendliche Routine und kleine Rituale helfen, dem Körper zu signalisieren, dass es Zeit zum Schlafen ist. Lesen bei gedimmtem Licht oder eine kurze Meditation können dafür geeignet sein. Mehr Tipps für deine Abendroutine findest du hier!
Mache dir am Abend eine To-do-Liste für den nächsten Tag. So kannst du schneller einschlafen, weil du deinen Plan aufgeschrieben hast und wichtige Aufgaben nicht wieder und wieder im Kopf durchgehen musst.
Um schneller einschlafen zu können, kannst du auch auf ein anderes natürliches Schlafmittel zurückgreifen: Baldrian. Eine halbe bis zu einer Stunde vor dem Schlafengehen eingenommen kann die Einnahme deinen Schlaf verbessern. Die richtige Dosis entnimmst du am besten der Packungsbeilage, in der Regel liegt sie bei der Einnahme von Tabletten oder Dragees bei rund 500 mg.
Fazit: Solltest du Melatonin als Einschlafhilfe nutzen?
Schlaf ist lebensnotwendig und hat einen sehr hohen Einfluss auf deine Gesundheit und deine mentale Leistungsfähigkeit. Wenn du chronische Schlafprobleme hast, solltest du dir immer medizinischen Rat bei einem Arzt oder einer Ärztin holen.
Eigene Experimente mit Melatonin-Mitteln – vor allem solche, die du aus oft unbekannter Quelle aus dem Internet kaufen kannst – solltest du, wenn überhaupt, nur mit großer Vorsicht angehen und die Melatoninmenge nicht überdosieren.
Oftmals gehen Schlafprobleme auch gar nicht auf einen gestörten Rhythmus zurück (nur ein solcher ließe sich ja mit Melatonin in den Griff bekommen) und sollten deshalb mit anderen Methoden behandelt werden.
HIER SCHREIBTMarie-Theres Rüttiger
Marie-Theres ist Online Redakteurin für Gesundheits- und Versicherungsthemen bei ottonova. Sie konzipiert den Redaktionsplan, recherchiert und schreibt vor allem über (E-)Health und Innovation, die das Leben besser machen.