Psychotherapie mit VR-Brille: Besiege deine Ängste!
Fällt es dir schwer, vor 50 Menschen einen Vortrag zu halten? Oder in ein Flugzeug zu steigen? Seit Kurzem gibt es eine neue Möglichkeit, gegen Ängste vorzugehen: VR-Brillen haben Einzug in die Psychotherapie gehalten. Wie funktioniert die VR-Therapie?
Warum Psychotherapie mit VR-Brillen funktioniert
Bereits seit 20 Jahren basteln Forscher an der Virtual Reality und erproben mögliche Einsatzgebiete in den Humanwissenschaften. Dabei fanden Psychologen heraus, dass virtuelle Reize ganz reale Ängste auslösen können. Eigentlich gar nicht verwunderlich, kennen wir doch ähnliche Phänomene aus Horrorfilmen oder fesselnden Romanen. Unserem Gehirn ist es offenbar egal, ob wirklich Gefahr droht oder nicht – es läutet die Alarmglocken und löst typische Angstreaktionen aus.
Ein Beispiel aus der Praxis:
So berichtete etwa eine Therapeutin, dass sie ihren Schwiegersohn in ihre Praxis einlud, um die VR-Brille zu testen. Er spielte gerne Computer und hatte eine leichte Höhenangst. Als er sich die Brille aufsetzte und sich auf einmal in schwindelerregenden Höhen befand, reagierte er prompt: Sofort riss er sich die VR-Brille herunter, um sozusagen wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Natürlich hatte er die Praxis seiner Schwiegermutter nicht verlassen. Doch sein Gehirn suggerierte ihm, dass Gefahr droht – so realistisch ist die Virtual Reality.
Hightech-Ausstattung:
Die digitale Wirklichkeit sieht ganz real aus: VR-Brillen erzeugen für jedes Auge ein anderes Bild, so dass ein räumlicher Eindruck von Tiefe entsteht. Ein PC im Rucksack verarbeitet die Daten, die auch von Sensoren an den Händen kommen. So kannst du dich frei im Raum bewegen und agieren, während deine virtuelle Umgebung auf dich reagiert. Klänge und Gerüche im Raum verstärken den Eindruck, sich in der „normalen Welt“ zu befinden. Die perfekte Spielwiese also, um sich seinen Ängsten ganz gefahrlos zu stellen.
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Welche psychischen Probleme können virtuell behandelt werden?
Grundsätzlich ist ein breites Anwendungsspektrum denkbar. Deshalb forschen Wissenschaftler eifrig in ganz unterschiedlichen Bereichen.
Denkbar sind Behandlungen folgender Störungen:
- Flugangst
- Höhenangst
- Spinnenphobie
- soziale Phobie
- Angststörungen
- Zwangsstörungen
- posttraumatischer Belastungsstörung
- Demenz
- Körperschemastörungen (verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers)
- Phantomschmerzen
- Depression
In manchen Bereichen sind die Forscher jedoch erst am Anfang. Am besten erforscht ist der Einsatz von VR-Brillen im Bereich Angststörungen. Hier gibt es bereits ausgefeilte Behandlungskonzepte, die vereinzelt auch schon eingesetzt werden.
VR-Brillen im Rahmen der Angsttherapie
Wer unter einer Phobie leidet, hat überdurchschnittlich große Angst vor einer bestimmten Situation oder einem Objekt. Das kann die Angst vor Spinnen sein, Prüfungsangst oder Panik im engen Fahrstuhl. Betroffene können ihre Angst überwinden, wenn sie sich ihr immer wieder stellen („Expositionstherapie“).
Doch manchmal ist das im Rahmen der Psychotherapie nicht so einfach. Wer Angst davor hat, eine Rede vor vielen Menschen zu halten, hat nicht ständig Gelegenheit, sich zu erproben. Genau hier rät die Leitlinie Psychotherapeuten, solch eine Brille einzusetzen.
Wo kann ich die VR-Therapie ausprobieren?
Außerhalb des wissenschaftlichen Kontextes ist der Einsatz von VR-Brillen gegen Angst und Co. jedoch überschaubar. Zwar hat sich die Technik in den letzten Jahren rasant entwickelt und zu einer signifikanten Verbesserung der Qualität geführt, doch von einem flächendeckenden Einsatz kann noch keine Rede sein. Weil auch die Kosten stark gesunken und Anwendungen lediglich mit Smartphone und Headset möglich sind, könnte sich das jedoch bald ändern.
Das Pilotprojekt „Invirto“ ist ein Modell, das vielleicht bald Schule macht: Eine Kombination aus einer App, Schulungsvideos und einer persönlichen psychotherapeutischen Betreuung soll Menschen mit Angststörungen helfen. Das Behandlungskonzept stammt aus der Ideen-Schmiede des Start-ups Sympatient. Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein will anhand einer Studie herausfinden, wie wirkungsvoll Invirto ist.
So funktioniert die VR-Therapie:
- Video-Besprechung mit einem Psychotherapeuten: Am Anfang legst du gemeinsam mit einem Therapeuten fest, welche App-Inhalte und Übungen sich für dein spezifisches Problem eignen:
- App-Nutzung zu Hause: VR-Brille, Kopfhörer und den Zugang zur App bekommst du zugeschickt, um zu Hause starten zu können. Acht Kurseinheiten werden nun nacheinander freigeschalten. In der Virtual Reality kannst du üben, mit deiner Angst besser umzugehen.
- Telefonate mit deinem Therapeuten: Du hast immer wieder die Gelegenheit, gezielt Fragen zu stellen und dir weitere Inspirationen zu holen. Für den Fall der Fälle gibt es auch eine Notrufnummer, so dass bei Bedarf immer jemand für dich da ist.
Vereinzelt gibt es auch niedergelassene Psychotherapeuten, die Virtual Reality bei Angststörungen nutzen. Doch es bedarf weiterer Forschung, um die VR-Brille im Alltag der Psychotherapeuten ankommen zu lassen. Eine VR-App gegen Höhenangst ist beispielsweise schon in Entwicklung.
Wer nicht warten möchte, kann bereits heute Therapie-Apps und Online-Kurse gegen Angststörungen nutzen, zum Beispiel von Selfapy und Novego.
Therapie mit VR-Brille: Vor- und Nachteile
Wie bei jedem neuen Verfahren ist vor flächendeckender Anwendung natürlich auch ein Blick auf die Vor- und Nachteile zu werfen.
Vorteile:
- schneller zum Termin: Viele Psychotherapeuten sind überlastet. Schnell einen Termin zu bekommen, ist nicht immer einfach. Hier könnte Psychotherapie mit der VR-Brille eine Alternative sein, da sie zumindest teilweise alleine durchgeführt werden kann.
- einfacher Einstieg in die Therapie: Die Nutzung zu Hause im gewohnten Umfeld kann für den ein oder anderen ein Grund sein, sich endlich an die Therapie zu wagen.
- flexible Nutzung: Wann du welche Einheit zu Hause machst, ist dir überlassen. Praktisch für alle, die wenig Zeit haben und fixe Termine scheuen.
Nachteile:
- Nebenwirkungen: Rund 10 % der Patienten entwickeln eine „Simulation Sickness“, die mit Schwindel und Übelkeit verbunden ist.
- Möglicher Realitätsverlust: Menschen mit Demenz oder Psychosen könnten sich in der virtuellen Realität verlieren und nicht mehr zwischen der Virtual Reality und der Wirklichkeit unterscheiden können.
- Kontra-Indikationen: Für Menschen mit Migräne, Neigung zu Epilepsie-Anfällen und eingeschränkter dreidimensionaler Sicht ist die VR-Therapie nicht geeignet.
- Datensicherheit: Ein einwandfrei funktionierender Datenschutz ist essentiell, da du im Rahmen der digitalen Psychotherapie sensible Daten über dich preisgibst.
Bei vernünftiger Anwendung lassen sich die Nachteile der VR-Brille im Rahmen der Therapie wohl größtenteils umgehen. Therapeuten können beispielsweise zu lückenlosem Datenschutz verpflichtet werden und nur solche Patienten mit der VR-Konfrontationstherapie behandeln, die dafür geeignet sind. Es bleibt abzuwarten, inwieweit VR-Brillen die moderne Psychotherapie revolutionieren werden!
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Jeannette Stowasser
Jeannette ist Online-Redakteurin für Gesundheit und schreibt seit 2011 Artikel, E-Books und Whitepaper zu den verschiedensten medizinischen Themen.