Kiefer entspannen, Schmerzen loswerden: So klappt’s
Plagen dich häufig Kopf- oder Nackenschmerzen? Dahinter könnte ein verspannter Kaumuskel stecken! Wir haben mit Osteopathin Sarah Benkamann gesprochen und verraten dir, woher die Muskelverspannung im Kiefer kommt und wie du mithilfe von praktischen Übungen deinen Kiefer entspannen kannst.
Fachlich geprüftvon Osteopathin Sarah Benkmann
Inhalt des Ratgebers
Auf einen Blick
Kopfschmerzen, Nackenprobleme und sogar Tinnitus können die Folgen einer Muskelverspannung im Kiefer sein. Wer insbesondere nachts mit den Zähnen knirscht oder die Zähne unterbewusst fest aufeinander presst, übt dadurch Druck auf die Kaumuskulatur aus. Das kann zu Verspannungen und Schmerzen im ganzen Körper führen. Die Ursache für das Zähne zusammenbeißen bzw. für das Zähneknirschen ist häufig Stress. Ferner können Zahn- oder Kieferfehlstellungen verantwortlich sein. Mit einfachen Übungen und Tools für zu Hause kannst du die Kieferverspannungen lösen und für Entspannung sorgen. Auch eine Aufbissschiene und/oder Medikamente können helfen, den Kiefer zu entspannen.
Tagsüber Stress, nachts Zähneknirschen
Wenn die Deadline naht und ein Projekt unter Zeitdruck abgeschlossen werden muss, heißt es: Zähne zusammenbeißen! Augen zu und durch! Nur noch schnell die Präsentation fertigstellen, danach die Videokonferenz leiten und dann kurz vor Ladenschluss fürs Abendessen einkaufen ... Falls du zu den Menschen gehörst, die immer 100 % geben und jederzeit perfekt performen wollen, bist du wahrscheinlich Meister im Zähne zusammenbeißen. Wenn du mit einem Problem konfrontiert wirst, beißt du dich solange daran fest, bis du die Lösung gefunden hast. Oft begleitet dich der Alltagsstress in den Schlaf, was sich beispielsweise durch nächtliches Zähneknirschen äußert. Dein Mund und deine Zähne sind also ganz schön gefordert – im übertragenen, jedoch auch im wörtlichen Sinn.
Das Knirschen kann auf Dauer negative Folgen für deine Gesundheit haben: Deine Kiefermuskulatur verkrampft, was zu Nackenschmerzen, Kopfschmerzen und vielen weiteren Beschwerden führen kann. Im Folgenden erfährst du, wie die Muskelverspannung im Gesicht deinen kompletten Körper beeinflussen kann, was ein angespannter Kiefer mit der Psyche zu tun hat und welche praktischen Übungen dabei helfen können, deinen Kiefer zu entspannen.
Muskelverspannung Kiefer: Ursachen und Symptome
Dein Kauapparat besteht aus Ober- und Unterkiefer, Kaumuskulatur und Kiefergelenken. Es handelt sich um ein komplexes System, das über Muskeln und Nerven mit der Wirbelsäule, dem Gehirn und anderen Organen verbunden ist. Ist die Funktionsfähigkeit des Kauapparats gestört, kann sich dies auf den gesamten Körper auswirken. Eine solche Funktionsstörung nennen Ärzte Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD). Ursache ist immer eine Verspannung der Kau- bzw. Kiefermuskeln, was eine Reihe von gesundheitlichen Problemen nach sich ziehen kann. So können beispielsweise Kieferschmerzen, Kopfschmerzen, Nacken- und Rückenschmerzen, Schwindelattacken sowie Tinnitus und sogar Knieschmerzen Begleiterscheinungen einer CMD sein.
Doch wie entsteht die Kieferverspannung, die zu einer Craniomandibulären Dysfunktion führt? Einerseits können Zahn- und Kieferfehlstellungen, Zahnlücken sowie schlecht angepasste Füllungen und Kronen dafür sorgen, dass dein Kiefer nicht mehr richtig entspannen kann und die Muskulatur verkrampft.
Gut zu wissen:
Hast du ein intaktes Gebiss, sollten die obere und die untere Zahnreihe innerhalb eines Tages maximal 30 Minuten lang aufeinandertreffen. Bei Zahnfehlstellungen, aber auch in Stressphasen, reiben deine Zähne deutlich häufiger aneinander.
Zähneknirschen bzw. das unterbewusste Aufeinanderpressen der Zähne ist der zweite große Risikofaktor für eine Craniomandibuläre Dysfunktion. Psychologen vermuten, dass wir durch diese körperliche Reaktion versuchen, emotionale Belastungen zu verarbeiten. Übrigens: Menschen mit Depressionen oder Angststörungen, aber auch notorische Perfektionisten, haben ein erhöhtes Risiko für Kieferverspannungen durch Zähneknirschen und damit für eine Craniomandibuläre Dysfunktion.
Kieferverspannungen lösen: Behandlungsmöglichkeiten einer CMD
Kieferschmerzen, ein Knacken oder Reiben im Kiefer sowie Schwierigkeiten, den Mund zu öffnen – all das sind Alarmzeichen, die du ernst nehmen solltest. Hast du die Vermutung, an einer Craniomandibulären Dysfunktion zu leiden, solltest du einen spezialisierten Zahnarzt aufsuchen. Denn nicht jeder Mediziner bringt etwa Rückenschmerzen mit Zähneknirschen in Verbindung. Dabei ist dieses Krankheitsbild alles andere als selten: 20 Prozent der Deutschen kämpfen mit krankhaften CMD-Symptomen, berichtet die Gesellschaft für Zahngesundheit, Funktion und Ästhetik (GZFA). Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer. Bei Menschen im mittleren Alter tritt die CMD gehäuft auf: Stress im Job, eine unausgeglichene Work-Life-Balance sowie Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf üben enormen Druck auf die Patienten aus und begünstigen dadurch eine CMD.
Aufgrund der vielfältigen Probleme, die eine CMD verursacht, sollte die Therapie stets ganzheitlich erfolgen. Beispielsweise können dein Zahnarzt, ein Kieferorthopäde, ein/e Physiotherapeut/in, ein/e Osteopath/in und/oder ein Psychotherapeut beteiligt sein. Dein Zahnarzt kann dir zum Beispiel eine Aufbissschiene verschreiben, um das Zähneknirschen zu verhindern und den Kiefer zu entspannen. Zusätzlich können Schmerzmittel, Entzündungshemmer und/oder Muskelrelaxantien verabreicht werden. Der Physiotherapeut hilft dir dabei, die verspannte Muskulatur zu lockern, während dir der Psychotherapeut neue Wege aufzeigen kann, um in Zukunft besser mit Stress umzugehen.
Dabei fallen natürlich auch Kosten an. Was und wie viel die Krankenkasse bzw. die private Krankenversicherung übernimmt, findest du in unserem CMD Ratgeber.
Bist du gesetzlich versichert?
Stress kann sich auch im Kiefer bemerkbar machen. Durch bewusste Entspannungstechniken kannst du Verspannungen lösen und für mehr Wohlbefinden sorgen. Eine umfassende Krankenversicherung bietet dir zusätzlich Sicherheit, falls doch einmal ärztliche Hilfe nötig ist.
Hast du gewusst, dass bereits im Juli 2024 manche gesetzliche Krankenkassen ihren Zusatzbeitrag erhöht haben? Dadurch können monatlich bis zu über 1.100 € Beitrag fällig werden!
Bei ottonova gibt es sogar Tarife mit Beitragsrückerstattungen, du könntest also doppelt sparen. Nutze unseren kostenlosen Beitragsrechner, um herauszufinden, wie viel du sparen kannst. Mehr Informationen zur privaten Krankenversicherung findest du in unserem umfassenden Ratgeber.
Das sprichwörtliche Sich-Durchbeißen ist das Hauptsymptom bei der CMD. Zähneknirschen und -pressen sind die häufigsten Symptome dieser Dysfunktion, die in den meisten Fällen auf einer Fehlregulation der Muskeln und Kiefergelenke beruht. Sie ziehen Schmerzen im Kieferbereich und in einzelnen Zähnen sowie Kopfschmerzen, Schulter- und Nackenbeschwerden nach sich und können sogar Tinnitus hervorrufen.
Die Ursachen der CMD sind vielfältig. Neben Körperfehlhaltung oder einseitiger Belastung, zum Beispiel durch Computerarbeit, spielen vor allem externe psychische Faktoren wie familiärer oder beruflicher Stress eine Rolle. Aber auch Traumata, Unfälle und Zahnbehandlungen können CMD zugrunde liegen.
Zur Diagnose einer CMD sollte daher zunächst der Zahnarzt bzw. Kieferorthopäde konsultiert werden. Als Unterstützung ist eine osteopathische Behandlung sinnvoll. Deren Ziel ist es, die Blockaden im Körper zu lösen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen und die Kieferfehlbelastung positiv zu beeinflussen.
Kiefer entspannen: Übungen und Tools für zu Hause
Dein/e Physiotherapeut/in kann dir verschiedene Übungen und Griffe zeigen, wie du zu Hause Muskelverspannungen im Gesicht lösen kannst. Wir haben drei einfache Kieferlockerungs-Übungen für dich zusammengestellt.
1. Kiefer bewegen
Platziere deine beiden Mittelfinger jeweils in den Kiefergelenks-Kuhlen. Diese befinden sich auf beiden Gesichtshälften, etwa in Höhe deiner Ohrläppchen. Wenn du deine Mittelfinger die Vertiefungen legst, spürst du die Bewegungen deines Kiefers besser. Bewege nun deinen Unterkiefer langsam und kontrolliert nach links und rechts. Wiederhole die Übung mehrmals, um die Muskulatur zu lockern und deinen Kiefer zu entspannen. Zusätzlich kannst du die Akupressur-Punkte in den Kiefergelenks-Kuhlen während der Übung leicht drücken.
Wie häufig und lange soll ich die Übungen ausführen?
10 bis 15 Wiederholungen über den Tag verteilt helfen dir dabei akute Verspannungen zu lindern. Nimm dir Zeit dafür und plane etwa 5 bis 10 Minuten pro Übung ein.
2. Zähne abtasten
Fahre mit deiner Zunge die obere Zahnreihe ab. Beginne am hinteren rechten Backenzahn und arbeite dich langsam zu den Schneidezähnen in der Mitte vor. Dann wandere mit der Zunge Zahn für Zahn zurück zum hintersten rechten Backenzahn. Mach dann eine kurze Pause und spüre nach, wie sich deine rechte Kieferseite nun im Vergleich zur linken anfühlt. Wiederhole die Übung anschließend auf der linken Seite. Am Ende solltest du eine Veränderung am gesamten Kiefermuskel feststellen.
SHARE
3. Mundraum massieren
Unterhalb deiner Wangenknochen liegt der Kaumuskel. Du spürst ihn, wenn du den Mund öffnest. Massiere den Kaumuskel von außen, indem du jeweils drei Finger rechts und links auf dem Muskel platzierst und sanften Druck ausübst. Lass deine Finger ein wenig kreisen und erhöhe den Druck leicht, um Verspannungen effektiv zu lösen.
SHARE
Der Musculus Masseter in der oberen Kaumuskulatur ist übrigens einer der kräftigsten Muskeln im Körper, deshalb hat er die Tendenz zu verspannen. Mit einer Massage von außen und innen kannst du diese lösen und den Muskel entspannen. Lege dazu den Daumen seitlich in den Mund und übe von außen mit Ring- und Zeigefinger Gegendruck von außen aus.
Eine weitere Übung, um Verspannungen zu lösen, ist deinen Mundbogen zu massieren. Führe dazu kleine rotierende Bewegungen von außen mit beiden Daumen aus.
SHARE
Um den Unterkiefer weiter zu entlasten, kannst du den Musculus pterygoideus medialis von außen und innen massieren. Der Daumen übt Druck von außen, ein anderer Finger Druck von innen aus. Um dir die Koordination am Anfang zu erleichtern, kannst du einen Finger erst einmal statisch und den anderen rotiert lassen. Später kannst du beide rotieren.
SHARE
Wie stark darf der Druck sein?
Osteopathin Sarah Benkmann empfiehlt: Entspannung geht ohne Schmerz. Stelle dir eine Druck-Skala zwischen 0 bis 10 vor. Gehe mit mit dem Druck, den du bei den Übungen ausübst, nicht über 5 hinaus.
4. Schläfenmuskel massieren
Auch die Massage deines Schläfenmuskels kann deinen Kiefer entspannen, eine Verspannung des Muskels kann Kieferschmerzen und schmerzende Zähne verursachen.. Massiere dabei vom Jochbein unterhalb der Augen nach hinten und streiche die Bewegung bis in die Haare aus. Wichtig dabei ist, bis hinters zu streichen.
SHARE
Zusätzlich zur Selbstmassage kannst du nach speziellen Tools Ausschau halten, mit denen du deinem Kiefer ein Faszientraining gönnen kannst. In den Shops findest du beispielsweise kleine Faszien-Roller für das Gesicht. Ein unterstützendes Trainingsprogramm bietet die „Kieferfreund“-App: Durch Videos und Schritt-für-Schritt-Anleitungen erfährst du, welche Entspannungsübungen für Kiefer und Kaumuskulatur dir guttun.
kieferfreund-app.jpg
Interaktives Mund-Muskeltraining für die richtige Zungenruhelage.
Wichtig: Kaugummikauen ist nicht dazu geeignet, deinen Kiefer zu entspannen – im Gegenteil! Die Dauerbelastung durch das anhaltende Kauen sorgt eher dafür, dass sich deine Gesichtsmuskulatur weiter verkrampft.
Sarah Benkmann ist gelernte Physiotherapeutin und praktizierende Osteopathin. 2014 eröffnete sie ihre eigene Praxis. Ihre therapeutische Philosophie ist es, den Menschen in seiner Ganzheit zu sehen und zu behandeln. Wichtig dabei ist ihr, eine interdisziplinäre Beratung anzubieten, die Körper und Geist in den Blick nimmt.
Marie-Theres ist Online Redakteurin für Gesundheits- und Versicherungsthemen bei ottonova. Sie recherchiert und schreibt vor allem über Krankenversicherung, (E-)Health und digitale Innovation, die das Leben besser machen.