Zündstoffthema Immunisierung: Impfen ja oder nein?

Hoch ansteckende Erreger, schwere Krankheiten; mit einer Impfung kannst du dich oftmals leicht dagegen schützen. Dennoch verzichten einige darauf – unbewusst wegen Zeitmangel und Versäumnis oder bewusst als Impfgegner. Was kann dies für Folgen haben?

Inhalt des Ratgebers

Das Wichtigste auf einem Blick:

  • Jährlich sterben weltweit 1,5 Millionen Menschen an vermeidbaren Infektionen.
  • Die WHO stuft die Verweigerung von Impfungen als eines der zehn größten globalen Gesundheitsrisiken ein.
  • Immunisierung schützt vor Infektionen
  • Aktive Immunisierung durch Impfungen mit abgeschwächten oder nicht vermehrungsfähigen Erregern.
  • Passive Immunisierung durch direkte Verabreichung von Antikörpern.
  • Ziel: Langanhaltender Schutz gegen bestimmte Erreger.
  • Herstellung von Impfstoffen ist herausfordernd; bisher kein Impfstoff gegen HIV oder Malaria.
  • Trotz der Vorteile gibt es Impfgegner mit Bedenken hinsichtlich Impfschäden.
  • Geringe Zahl der Impfgegner in Deutschland (3-5 %), aber sie beeinflussen die Meinungsbildung.
  • Impfgegner, Unsicherheit und Vernachlässigung tragen zur schlechten Impfquote bei.
  • Psychologische Gründe für Nicht-Impfen nach dem 5C-Modell: Confidence, Complacency, Constraints, Calculation, Collective responsibility.

Auch über das Impfen sollte man sich informieren...

Jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit checkst du in der Bahn die News des Tages. Du fühlst dich gut informiert, weißt, was auf der Welt so passiert. Manipulieren lässt du dich aber nicht. Du recherchierst zu Themen, diskutierst mit Freunden und vertrittst deine Meinung zu Politik, Wirtschaft und Klimawandel. Eine globale Bedrohung würde an dir nicht vorbeigehen – denkst du. Doch …

Wusstest du, dass weltweit jedes Jahr 1,5 Millionen Menschen an Infektionen sterben, gegen die es eigentlich eine Impfung gibt? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Verweigerung von Impfungen als eines der zehn größten globalen Gesundheitsrisiken 2019 eingestuft. Als Beispiel nennt sie die Masern: 2017 seien weltweit 30 % mehr Menschen an der Virusinfektion erkrankt als im Vorjahr.

Ist das nur Panikmache oder steckt wirklich etwas dahinter? Warum sind einige Menschen gegen Impfen und was bedeutet das für deine Gesundheit? Damit du dir auch zu diesem Thema eine Meinung bilden kannst, müssen wir mit den Grundlagen beginnen. Also:

Definition: Was bedeutet "Immunisierung"?

Immunisierung bezieht sich darauf, dass der Körper gegen eine bestimmte Krankheit oder Infektion geschützt wird. Das kann durch Impfungen oder die Einführung von spezifischen Antikörpern erreicht werden. Ein anderer Begriff für Immunisierung ist Sensibilisierung, hier wird jedoch mehr der negative Aspekt betont, wie er zum Beispiel bei Allergien auftritt. 

Die Immunität kann auch durch die Erkrankung selbst entstehen, dieser Vorgang wird ebenfalls als Immunisierung bezeichnet.

Nach erfolgreicher Zerstörung der Krankheitserreger sterben allmählich fast alle speziell für die Abwehr hergestellten Immunzellen ab. Es bleiben nur wenige Gedächtniszellen übrig, die jedoch oft ein Leben lang bestehen bleiben. Diese Zellen sind das Gedächtnis unseres Immunsystems. Die Erinnerung an vergangene Infektionen ist von großer Bedeutung, da ohne sie die Produktion von Antikörpern bei einer erneuten Infektion bis zu zehn Tage dauern kann. Im Gegensatz dazu können die im Körper zirkulierenden Gedächtniszellen bei einer erneuten Infektion sofort reagieren, die Erreger mit Antikörpern bekämpfen und so verhindern, dass sich die Infektion ausbreitet.

Unterschied: Aktive & passive Immunisierung:

Aktive Immunisierung

Bei der aktiven Impfung bekommt dein Immunsystem Antigene, damit es aktiv Antikörper gegen diese entwickelt. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem dazu befähigt, auf eine Infektion so schnell zu reagieren, dass daraus keine Krankheit entsteht. Dafür wird dir entweder eine Lebendimpfung gegeben, die abgeschwächte (vermehrungsfähige) Erreger enthält und so auch eine abgeschwächte Erkrankung im Körper hervorruft. Oder du erhältst einen Totimpfstoff, in dem nicht mehr vermehrungsfähige Antigene sind. Die aktive Immunisierung hinterlässt eine über einen gewissen Zeitraum andauernde Immunität. Manchmal kann diese Immunität sogar lebenslang anhalten. Auffrischungsimpfungen dienen somit einer nochmaligen „Erinnerung" des Immunsystems und lässt den Impfschutz aufrecht erhalten.
Das Bilden von Antikörpern dauert ein paar Wochen.

Ziel: Langanhaltender Schutz gegen die jeweiligen Erreger

Passive Immunisierung

Hier bekommst du direkt die Antikörper gegen das entsprechende Antigen. Dein Immunsystem muss diese also nicht mehr selbst bilden, dafür hält der Schutz aber nur einige Wochen. Diese Notfallmaßnahme ist besonders dann wichtig, wenn du bereits Kontakt mit dem Erreger hattest und vorher nicht ausreichend geimpft warst. Das gilt bei Verdacht auf Tetanus nach Verletzungen mit verschmutzter Wunde, Verdacht auf Tollwut nach einem Hundebiss oder Verdacht auf Hepatitis B nach einer Nadelstichverletzung. Die Antikörper entstammen von einem anderen Patienten, einem Tier oder wurden gentechnisch hergestellt.

Auch hier ist das Ziel: Sofortiger Schutz gegen die jeweilige Erkrankung

Was passiert bei einer Impfung im Immunsystem?

Das Ziel einer Impfung ist es, den Organismus gegen eine Infektionskrankheit immun zu machen (Immunisierung), ihn also vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen durch die Entwicklung von Antikörpern. Dabei unterschiedet man zwischen zwei Arten von Schutzimpfungen: aktive und passive Immunisierung. Je nach Krankheit wird eine der beiden ausgewählt. Wird gleichzeitig aktiv und passiv geimpft, handelt es sich um eine Simultanimpfung.

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Schutzimpfungen kannst du per Injektion, also mit Piecks in den Oberarm, als Schluckimpfung oder nasal erhalten. Eine Impfpflicht besteht in Deutschland nicht, jedoch werden Impfungen für bestimmte Krankheiten empfohlen. Diese Empfehlungen spricht die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-institut aus (STIKO). Jede Impfung, die du erhältst, wird mit der Chargennummer in deinem Impfausweis eingetragen. Neben den Immunisierungen im Säuglingsalter, werden außerdem sogenannte Auffrischimpfungen (z. B. die Tetanus-Impfung nach zehn Jahren) und Indikationsimpfungen (FSME, Grippeimpfung, Reiseimpfung) empfohlen, die heute für dich relevant sein könnten.

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Weitere Impfungen:

Herausforderung: Herstellung von Impstoff

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Wie schwer es ist, einen wirksamen und verträglichen Impfstoff zu entwickeln, zeigt die Tatsache, dass es bisher nicht gelungen ist, einen Impfstoff gegen HIV oder Malaria zu finden.

Im Grunde hört sich das doch alles super und ziemlich wichtig an – in ein paar Sekunden kannst du deiner Gesundheit etwas Gutes tun und dich vor schweren Krankheiten schützen. Trotzdem gibt es Menschen, die gegen das Impfen und die Immunisierung sind. Was sind ihre Gründe?

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Unscheinbar, aber gefährlich: Diese Diabetes-Anzeichen solltest du kennenImpfungen sind unsicher

Auf 45 Millionen Impfdosen kommen in Deutschland 34 anerkannte Impfschäden. Ein Vergleich: Von 1.000 Kindern, die an Masern erkranken, verstirbt eines an der Erkrankung. Bei Diphterie sind es sogar mehr. Zu den harmlosen Impfreaktionen gehören Rötungen, Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle. Sie sind Teil der erwünschten Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff, der Immunreaktion. Davon abzugrenzen ist der Impfschaden, definiert als „gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung durch die Schutzimpfung“. Dieser muss stets gemeldet werden.

Impfungen lösen Autismus aus

Diese Angst beruht auf einer Studie von Andrew Wakefield, dessen gefälschte und manipulierten Ergebnisse noch heute zitiert werden und Laien verunsichern. Erst 2010 wurde die Studie endgültig zurückgezogen. Der Arzt wollte mit seiner Firma einen Test auf die erfundene impfspezifische Autismus-Erkrankung vermarkten. Es gilt als nachgewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit Autismus, Asthma, Multiple Sklerose, Diabetes oder Morbus Crohn aufgrund der MMR-Impfung (Mumps, Masern, Röteln) zu bekommen, nicht erhöht ist.

Impfungen sind dazu da, Pharmakonzerne und Ärzte reich zu machen

Sowohl die Forschungstätigkeit als auch die Bereitstellung der Informationen zu Impfthemen des Robert-Koch-instituts werden ausschließlich aus eigenen Mitteln ohne jegliche Zuwendung seitens privater Sponsoren finanziert. Die Mitglieder der STIKO sind ehrenamtlich tätig und werden gemeinsam vom Bundesgesundheitsministerium und den obersten Landesgesundheitsbehörden berufen. Ein Arzt verdient mit der Immunisierung übrigens weniger als fünf Euro. Und die Krankenkassen? Die Ausgaben für Impfstoffe machten gerade mal 0,65 % aus.

Es gibt keinen Nachweis für die Wirksamkeit von Impfungen

Eine Impfung kann keinen 100%igen Schutz vor einer Erkrankung bieten, aber die Erkrankungswahrscheinlichkeit deutlich senken. Die Erkrankungszahlen von Infektionskrankheiten brechen meistens kurz nach der Einführung der Impfungen ein. Sie gehören zu den größten Erfolgen der Medizingeschichte, tödlich verlaufende Krankheiten wie die Pocken konnten so ausgerottet werden. Jedes Jahr retten sie weltweit ca. sechs Millionen Menschenleben. Nur der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist global gesehen noch wirksamer im Kampf gegen Infektionen.

Impfen ja oder nein – eine Jahrhunderte alte Kontroverse

Impfgegner und Impfskeptiker gibt es seit der Einführung der Pockenschutzimpfung im 18. Jahrhundert. Mit 3 bis 5 % ist die Zahl der Impfgegner in Deutschland gering, dennoch haben sie einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung. Als digitaler Experte fällt es dir leicht, seriöse Quellen im Internet von unseriösen zu unterscheiden. Aber: impfkritische Foren und Webseiten sind stark vernetzt, verweisen für ihre Belege wieder auf andere impfkritische Seiten und schaffen es oft auf die vorderen Plätze bei Suchanfragen. Schnell erwischt man sich dabei, auf reißerische Medienberichte zu klicken, nämlich solche, die von dramatischen Impfverläufen erzählen.

Negativbeispiel Masern

Die mangelnde Impfbereitschaft kann drastische Folgen haben, wie die hoch ansteckenden Masern zeigen: Die Fallzahlen sind weltweit wieder um 30 % gestiegen, und dass, obwohl die Masern dank Schutzimpfung leicht beherrschbar wären und ausgerottet werden könnten. Notwendig wäre dafür das Erreichen der 95-%-Hürde ­– sind so viele Menschen geimpft, wären auch diejenigen geschützt, die sich aufgrund von Immunkrankheiten oder ähnlichem nicht impfen lassen können (Herdenimmunität). Deutschland liegt unter dieser Grenze. Mit einer Immunisierung tust du also nicht nur deiner Gesundheit etwas Gutes, sondern rettest eventuell sogar Leben.

Gut zu wissen:

Welche Folgen es haben kann, wenn nur wenige ihre Kinder nicht impfen lassen, zeigte sich 2015 in Berlin: 1.234 Menschen erkrankten an Masern, Schulen wurden geschlossen und ein Junge starb. Und das trotz einer Impfrate bei Kindern von ca. 90 % in Deutschland.

Es sind aber nicht nur Impfgegner für die schlechten Impfquoten verantwortlich. Alles auf sie abzuwälzen, wäre ebenso fatal im Kampf gegen Infektionskrankheiten. Auch diejenigen, die unsicher sind oder es schlichtweg versäumen, sich impfen zu lassen, verhindern das Erreichen des Schwellenwertes zur Herdenimmunität. Nach dem sogenannten 5C-Modell wurden fünf verschiedene psychologische Gründe ausgearbeitet, die Menschen dazu bringen, sich nicht impfen zu lassen:

Confidence: fehlendes Vertrauen in die Sicherheit von Impfungen

Complacency: nicht wahrgenommenes Krankheitsrisiko (weil wir viele Krankheiten dank Impfungen nicht mehr kennen)

Constraints: Hürden wie Stress, Aufwand, Zeitnot

Calculation: aktive Suche nach Informationen, was zu Falschwissen führt

Collective responsibility: ausnutzen, geschützt zu sein, wenn genügend andere geimpft sind

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Beim Thema Impfen handelt es sich also stets um eine Nutzen-Risiko-Abwägung. Es ist die Aufgabe der STIKO, diese Bewertung vorzunehmen. Bei dem, was sie empfiehlt, sind die Risiken des Impfstoffes geringer als die Risiken der Krankheit. Dennoch: Die Impfdiskussion wird es noch lange geben. Um sich selber eine Meinung zu bilden, ist es wichtig, sich bei den richtigen Quellen zu informieren und das Gespräch mit dem Arzt zu suchen. Nur so kannst du deine eigene Risikoabwägung durchführen.

Marie-Theres Rüttiger
HIER SCHREIBT Marie-Theres Rüttiger

Marie-Theres ist Online Redakteurin bei ottonova. Sie konzipiert den Redaktionsplan, recherchiert und schreibt vor allem über E-Health, InsurTech und digitale Innovation, die das Leben besser machen.

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