Cyberchondrie & Morbus Google: Wie Google-Symptome auf die psychische Gesundheit wirken

Ein Fleck auf der Haut oder ein zuckendes Auge: Wer etwas Abnormales an seinem Körper entdeckt, der befragt heutzutage erst einmal das Internet. Doch das kann gefährlich für die psychische Gesundheit sein. Denn falsche Diagnosen, die bei der sogenannten „Cyberchondrie“ entstehen, sind belastend.

Julia hatte schon alle möglichen Krankheiten. Von Lungenkrebs, der sich an anhaltendem Husten gezeigt hat, über einen Schlaganfall, den sie anhand von Schwindelgefühlen diagnostiziert hat, bis hin zu Neurodermitis, die sich anhand von Juckreiz am Oberarm manifestierte. Jedes Mal, als Julia eines dieser Symptome erkannte, folgte eine ausführliche Internetrecherche, um den Verdacht zu untermauern. Sie hat ihre Symptome gegoogelt, Quellen gesammelt, Erfahrungsberichte gelesen und zuletzt sogar ihre Probleme in medizinischen Foren mit anderen Betroffenen geteilt. Jedes Mal fühlte sich sie bestätigt: Irgendwas stimmt nicht mit mir. Es folgten schlaflose Nächte und Tage begleitet von Zukunftsängsten.

Dass mit Julia eigentlich alles in Ordnung war, hätte ihr ihr Hausarzt nach nur einer kurzen Untersuchung sagen können. Aber der Arzt ist der letzte, den Julia mit ihren Vermutungen aufgesucht hätte – von Ärzten fühlte sie sich noch nie ernst genommen.

Cyberchondrie – die Wortherkunft


Das Wort „Cyberchondrie“ setzt sich aus dem Wortteil „cyber-“ (das Internet betreffend) und dem aus dem Griechischen kommenden „Hypochondrie“ zusammen. Hypochondria bedeutet „unter dem Knorpel“ auf Griechisch. Damals dachte man, dass sogenannte „Gemütskrankheiten“ - wie eben Hypochondrie - aus der Milz kamen, welche sich nahe der Rippenknorpel befindet.

Was ist Cyperchondrie & woher kommt sie?


Was unsere fiktive Julia durchmacht, kennst du wahrscheinlich auch bis zu einem gewissen Grad. Du fühlst dich nicht wohl, doch bevor du den Weg zum Arzt auf dich nimmst, zückst du zuerst einmal das Handy, um zu checken, ob das überhaupt notwendig ist. Das ist ganz normal und an sich ist es auch zu empfehlen, sich mit Veränderungen an seinem Körper zu beschäftigen – insofern ein Verdacht dann von einem Arzt abgeklärt wird.

Bei Julia liegt der Fall anders. Sie leidet an sogenannter Cyberchondrie, auch Morbus Google genannt. Sie ist praktisch ein digitaler Google-Hypochonder und entdeckt an sich selbst Krankheiten, die eigentlich gar keine sind. Durch eine exzessive Recherche im Internet entstehen dann Ängste, die der psychischen Gesundheit schaden. Digitale Hypochondrie kann die Lebensqualität negativ beeinflussen, aus welchem Grund diese Sonderform der Hypochondrie immer öfter von Ärzten behandelt wird.

Die Ursachen liegen oft in der Kindheit. So mussten Hypochonder früher zum Beispiel selbst eine schwierige Erkrankung durchmachen oder hatten vertraute Menschen, die schwer erkrankten. Auch übervorsichtige Eltern, die Symptome ihrer Kinder überbewerten und mit diesen ständig zum Arzt fahren, können ein solches Verhalten auslösen. Neben der Cyberchondrie gibt es auch andere Formen der Hypochondrie.


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4 Formen der Hypochondrie


  1. Nosophobie:
    Der „klassische“ Hypochonder, der sich vor dem Krankwerden fürchtet. Er meidet kranke Menschen, um sich nicht anzustecken und achtet übermäßig auf seine Gesundheit.
  2. Dysmorphophobie:
    Hier haben die Patienten ein gestörtes Körperbild und denken, missgebildet oder hässlich zu sein.
  3. Bromosis:
    Die Angst, besonders schlecht zu riechen.
  4. Parasitosis:
    Die Angst, von Parasiten wie zum Beispiel Würmern befallen zu sein.

Morbus Google: So kann googeln krank machen


Laut Dr. Stefanie Jungmann, Junior-Professorin der Universität Mainz, suchen bis zu 80 % der Menschen im Internet nach medizinischen Themen. Sie erklärt, dass dies erst einmal nicht schlimm ist und sogar eine „zunehmende Gesundheitskompetenz“ mit sich bringt. Wer allerdings von Cyberchondrie betroffen ist, leide unter Zwangsverhalten, das Einfluss auf die psychische Gesundheit hat. So haben Google-Hypochonder das ständige Bedürfnis, ihre Symptome zu googeln und vernachlässigen darüber ihr persönliches Leben oder die Arbeit. Sie steigern sich hinein in die Idee einer Krankheit und all den Sorgen, die damit einhergehen. In schlimmen Fällen kann dies sogar dann dazu führen, dass sich die harmlosen Symptome tatsächlich verstärken.

Ein weiteres Problem, das Menschen mit Hypochondrie und besonders mit Cyberchondrie betrifft, ist, dass sie über das Internet oft Empfehlungen ausgesetzt sind, die für sie nicht geeignet sind. Unseriöse Anbieter versprechen Therapien oder verkaufen Medikamente, von denen sich Google-Hypochonder eine Heilung ihrer vermeintlichen Krankheit versprechen. Dies kann in bloßer Geldverschwendung, aber auch mit ernsten medizinischen Folgen enden.

Symptome von Cyberchondrie:

  • Überbewertung von normalen Körperfunktionen
  • Fehlinterpretation von harmlosen Symptomen
  • übermäßige Internetrecherche zu Gesundheitsthemen
  • Probleme im sozialen Leben
  • Wiederkehrende Ängste
  • Depressionen
  • Ständige Beschäftigung mit vermeintlichen Krankheiten
  • Ständiger Arztwechsel
  • Sehr viele Arztbesuche oder komplette Vermeidung von Ärzten
Cyberchondri

Cyberchondrie & Corona: Die Angst vor dem Virus


Cyberchonder haben es ohnehin schon schwer. Wer hinter sozusagen hinter jeder Ecke eine Krankheit vermutet, der leidet in einer globalen Pandemie noch mehr. Für Menschen mit Morbus Google ist das Corona-Virus eine große Belastung. Denn die Informationen, die sich darüber im Internet finden lassen, sind praktisch unendlich – und sie ändern sich gefühlt täglich. Viele Menschen verbringen mehrere Stunden am Tag damit, Symptome zu überwachen, Fallzahlen zu analysieren und aktuelle Erkenntnisse zu googeln.

Die Angst vor dem Virus ist bei solch einer einfachen Ansteckung und relativ unspezifischen Symptomen, die auch bei einer Erkältung oder Grippe auftauchen können, natürlich besonders groß. Dazu kommt, dass sich Menschen mit Cyberchondrie nicht so einfach von ihrer Überzeugung abbringen lassen. Selbst ein negativer Test kann dann zum Beispiel mit dem Argument abgetan werden, dass dieser nur zu 95 % zuverlässig sei. Das liegt daran, dass Hypochonder nicht rational denken, sondern sich von Emotionen leiten lassen. Sie haben eine gestörte Selbstwahrnehmung und schätzen ihre normalen Körperfunktionen falsch ein.

Digitale Depression – wenn soziale Medien krank machen

Nicht nur die Angst vor Krankheiten und die Verstärkung durch das Internet kann übrigens dazu führen, dass wir psychische Probleme entwickeln. Auch die übermäßige Nutzung von sozialen Medien kann zu sogenannter „digitaler Depression“ führen. Besonders die psychische Gesundheit junger Menschen ist davon betroffen. Ihr Selbstbewusstsein ist oft noch nicht gefestigt und sie lassen sich leichter von anderen und deren Meinung beeinflussen. Eine Studie der American Psychological Association (APA) sieht zum Beispiel einen Zusammenhang zwischen dem starken Anstieg von psychisch erkrankten Jugendlichen und der zunehmenden Beliebtheit von sozialen Medien, die beide auf das Jahr 2011 fielen. Digitale Depression wird uns auch in der Zukunft noch beschäftigen.


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Cyberchondrie-Selbsthilfe: Tipps, wie du die Angst loswirst


Hypochondrie in all ihren Formen ist eine psychische Krankheit, die man nicht unterschätzen sollte. Natürlich hat jeder einmal Angst, krank zu werden und sorgt sich um bestimmte Symptome. Doch sobald du dich nur noch mit deiner Gesundheit beschäftigst, im Internet deine Symptome googelst und deine Sorgen all deine Gedanken einnehmen, ist es Zeit zu handeln. Cyberchondrie-Selbsthilfe ist dabei nur in milden Fällen zu empfehlen. Denn wie bei anderen psychischen Krankheiten auch, empfiehlt sich hier der Gang zum Psychologen. Leidest du stark unter denen Sorgen, ist das Hinzuziehen eines Experten der erste und wichtigste Schritt zur Cyberchondrie-Selbsthilfe. Beim Psychologen wird dir zum Beispiel mithilfe einer kognitiven Verhaltenstherapie geholfen. Dabei werden festgefahrene Denkmuster widerlegt und neu gelernt. Du lernst dann zum Beispiel, dass jeder einmal leichte Kopfschmerzen hat und diese kein Grund zur Sorge sind, während das Gefühl von aufkommenden Schmerzen früher in dir Panik ausgelöst hat.

Um dir selbst zu helfen, kannst du zusätzliche Maßnahmen treffen. Entspannungsübungen wie autogenes Training oder auch Yoga können dir helfen, den durch die Cyberchondrie ausgelösten Stress besser zu bewältigen und führen zu einem gesteigerten Wohlbefinden. Beziehe auch deine Familie und Freunde in die Therapie ein – sie können dich unterstützen.

Was, wenn ich gar kein Hypochonder bin?


Wenn du etwas an dir und deinem Körper bemerkst, das vorher nicht da war, oder darüber hinaus vermutest, dass etwas mit dir nicht stimmt, dann solltest du das auf jeden Fall von einem Arzt abklären lassen. Nur weil du eine ernsthafte Krankheit vermutest, bedeutet das nicht, dass du ein Hypochonder bist. Auch Ärzte irren sich oder übersehen Symptome und die Einholung einer Zweitmeinung kann durchaus Sinn ergeben.

Gerade die Tatsache, dass auch Ärzte Fehler machen, trägt aber natürlich dazu bei, dass sich Hypochonder bestätigt fühlen. Hier ist deine Selbsteinschätzung gefragt: Denn viele Hypochonder wissen, dass sie unter dieser psychischen Krankheit leiden, auch wenn es zunächst einmal paradox klingt. Beobachte dich und deine Denkmuster und reflektiere dein Verhalten – höre auf Freunde und Verwandte, denen du vertraust, und frage sie nach einer Einschätzung. Wenn du mehr unter der Angst leidest als unter den vermeintlichen Symptomen, die sie verursachen, ist es Zeit zu handeln.

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