Die Natur hält ein ganzes Arsenal an Arzneimitteln zur Verfügung: unsere Nahrung. Unsere Ernährungsweise hat einen immensen Einfluss auf unsere Gesundheit und kann vor allem präventiv das gesamte Immunsystem stärken und vor Krankheiten schützen. Doch was ist gesunde Ernährung? Und kann man sie messbar machen? Marcel Schürmann bietet in der App Food Secrets einen datenbasierten Ansatz.
Inhalt des Ratgebers
Marcel, deine App heißt Food Secrets. Was sind denn deine ultimativen Food Secrets für eine gesunde Ernährung?
Marcel Schürmann: Eine Beschränkung auf einige wenige Geheimnisse ist echt schwierig, da uns die Natur mit der Nahrung ein ganzes Arsenal an Arzneimittel zur Verfügung stellt. Aber das größte Geheimnis liegt wohl darin, die für sich persönlichen Geheimnisse und Erkenntnisse zu finden und sie nachhaltig in den Alltag zu integrieren.
Ein paar Grundsätze bieten dabei jedoch eine gute Basis:
Mehr Ballaststoffe integrieren: d.h. Nahrungsfasern zu uns nehmen, die wir selbst nicht verarbeiten können – die aber als Prebiotika d.h. Nahrung für unser Mikrobiom dienen. Das Mikrobiom, also die Mikroben in unserem Darm, beeinflusst unsere Gesundheit am stärksten.
Vielfalt fördern und Nährstoffmängel kompensieren: Wir sollten genug von allen Makro- und Mikronährstoffe sowie Sekundären Pflanzenstoffen (Polyphenole) aus biologischen und wilden Pflanzen zu uns nehmen. Also auf eine ausgewogene Ernährung achten, um einen Nährstoffmangel vorzubeugen. Dabei ist es aber wichtig die Nährstoffe in Kombination aufzunehmen und nicht isoliert wie zum Beispiel in Vitaminpräparaten.
Ein gesundes Mikrobiom fördern: Fermentierte Nahrungsmittel mit Bakterienkulturen fördern insbesondere die Vielfalt unseres Mikrobioms. Dadurch können wir vielfältig und differenziert auf Krankheitserreger reagieren.
Verarbeitete Produkte vermeiden: allen voran hochverarbeitete Nahrungsmittel, d.h. Lebensmittel mit Zusatzstoffen (E-Stoffe), wie Konservierungsstoffe, Farbstoffe oder Verdickungsmittel schaden uns, da sie tödlich für die Bakterien sind, die uns wohlgesinnt sind.
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Du gehst mit deiner App einen datenbasierten Ansatz: Wie kann man gesunde Ernährung messbar machen?
Marcel Schürmann: Um eine gesunde Ernährung messbar zu machen, muss man die einzelnen Bestandteile der Nahrungsmittel näher betrachten – d.h. wir nehmen die Makro- und Mikronährstoffe sowie Sekundäre Pflanzenstoffe und Bakterienkulturen genauer unter die Lupe. Genau das macht die Food Secrets – Ernährung 4.0 App.
Wir bewerten Faktoren, die laut Metastudien die „Verteidigung“ des Körpers optimal beeinflussen und diese Nahrungsmittel, welche bei der Prävention oder Heilung der Krankheit einen besonders starken Einfluss haben, erhalten dann ein besseres Ranking.
In der App sind Lebensmittel in ihre Bestandteile aufgegliedert. Du erfährst zum Beispiel mit einem Klick welche Nahrungsmittel die höchste Konzentration von einem bestimmten Nährstoff (Eisen, Vitamin D, Magnesium etc.) enthalten und wie sie sich auf den Körper auswirken.
Mit den Bestandteilen, die für uns und unsere spezifischen Ziele besonders sinnvoll sind, berechnen wir ein Nahrungsmittel-Ranking, welches uns mit einer einfachen Rangliste die besten Nahrungsmittel für all unsere Ziele wie zum Beispiel Fitness, Abnehmen oder Krankheitsvorsorge zeigt.
Die Datengrundlage von Food Secrets:
Die Daten für die Nahrungsmittel und Nährstoffe basieren auf der Grundlage von Analysen des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit der Schweiz.
Die Bewertung der Rankings bzw. die Gewichtung der einzelnen Bestandteile basiert auf Grundlage von Metastudien wie beispielsweise „Der Ernährungskompass – Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung“ von Bas Kast oder „Richtig Essen, Länger Leben – Eat to Beat Disease“ von Dr. Med. William W. Li.
Es gibt also grundsätzlich gute und schlechte Lebensmittel?
Marcel Schürmann: Grundsätzlich gibt es nicht eine 100%-ige Eingliederung in „gute“ und „schlechte“ Nahrungsmittel. Die Frage ist, was für ein Ziel man mit seiner Ernährung erreichen will.
Willst du abnehmen, Muskeln aufbauen, dein Immunsystem stärken, Allergien bekämpfen oder die Umwelt schützen? Die „guten“ Nahrungsmittel unterstützen das jeweilige Ziel möglichst optimal.
Das heißt „gute Lebensmittel" können bestimmten Krankheiten vorbeugen?
Marcel Schürmann: Ja, genau. Sie bilden die Basis für unsere Gesundheit. Mit der Ernährung beeinflussen wir all diese Verteidigungssysteme und „gute“ Nahrungsmittel stärken unsere Organe und Verteidigungssysteme.
Blaubeeren, Brokkoli oder Sesam beispielsweise haben ein Top-Ranking, wenn es um Krebsvorbeugung geht.
Die Haupt-Verteidigungssysteme sind unsere DNA, das Immunsystem, die Regulierung der Blutgefässbildung (Anti-Angiogenese) und damit die Blutversorgung von gesunden und schädlichen Zellen, die Stammzellen und das Mikrobiom – unser wichtigstes Verteidigungssystem.
70-90 Krankheiten, allen voran Krebs, Herzinfarkt und Autoimmunkrankheiten, gehen auf eine Störung von Verteidigungssysteme zurück. Diese Systeme schützen uns täglich vor diesen Krankheiten und gesunde Ernährung stärkt sie.
Und „schlechte" Lebensmittel fördern im Gegensatz dazu Krankheiten?
Marcel Schürmann: Ja, leider. Wenn wir bei unseren Food-Rankings von „schlechten“ Nahrungsmittel reden, sind das Nahrungsmittel, die unserem Körper, d.h. unseren Verteidigungssystemen und Organen Schaden zufügen können bzw. diese nicht in ihrer Funktion unterstützen.
Du hast vom Mikrobiom als wichtigstes Verteidigungssystem des Körpers gesprochen: Das heißt unser Darm stärkt unser Immunsystem?
Marcel Schürmann: Ja, auf jeden Fall. Unser Mikrobiom beeinflussen wir hauptsächlich durch unsere Ernährung – was wir täglich ausscheiden sind ca. 30 % Bakterien – ob wir die richtigen Bakterien wieder zu uns nehmen und ob wir sie richtig füttern – hängt ganz allein von uns und unserem Essverhalten ab.
Experten gehen davon aus, dass das Mikrobiom für ca. 70 % des Immunsystems verantwortlich ist. Ob wir also krank werden oder nicht hängt vor allem von ca. 100 Billionen (100‘000‘000‘000‘000) Mikroben ab.
Nun vertragen ja nicht alle Menschen alle Lebensmittel: Kann eine bestimmte Ernährung Allergien und Unverträglichkeiten verbessern?
Marcel Schürmann: Ja. Unsere DNA und unser Mikrobiom sind glücklicherweise sehr anpassungsfähig – das ist die Basis unserer Evolution. Die Basis unseres Körpers ist unsere Ernährung und somit liegt es nahe, dass wir mit der Ernährung auch Körperfunktionen wie die Immunreaktion beeinflussen können.
Grundsätzlich ist zwischen Allergien, Unverträglichkeiten und Intoleranzen zu unterscheiden:
Allergien sind erbbedingt (DNA). Das Immunsystem reagiert hier auf kleinste Mengen eines Stoffes. Diese falsche Reaktion ist schwerwiegender als bei einer Unverträglichkeit und sollte in Zusammenarbeit mit Experten behandelt werden.
Unverträglichkeiten und Intoleranzen sind weniger gravierend und einfacher zu behandeln – hier fehlt oft ein Verdauungs-Enzym oder man muss Nahrungsmittel meiden und sich langsam wieder an das jeweilige Nahrungsmittel gewöhnen, d.h. sich „desensibilisieren“. In diesem Fall sollte man vermehrt Nahrungsmittel zu sich nehmen, welche die Immunreaktion regulieren – d.h. Mastzellen beruhigen oder Histamin senken. Damit kann sich der Körper langsam wieder an die Nahrungsmittel gewöhnen.
Die Histamin-Ausschüttzung und damit die Aktivität der Mastzellen und des Immunsystems wird beispielsweise durch den Sekundären Pflanzenstoff „Quercetin“ stabilisiert und bei der Regulierung unterstützt. Kapern haben zum Beispiel eine sehr hohe Konzentration dieses Pflanzenstoffs.
Bestimmte Lebensmittel können aber auch kreuzallergische Reaktionen hervorrufen. Honigmelone enthält z.B. ähnliche Allergene wie Gräserpollen und oft reagiert man deshalb ähnlich / verstärkt beim Verzehren dieser Produkte, d.h. wenn du davon in der Pollenzeit isst und von einer Gräser-Pollenallergie betroffen bist, kann das die Symptome noch verstärken.
Aber nicht jeder Körper ist gleich: Warum passt der Ansatz von Food Secrets trotzdem für viele?
Marcel Schürmann: Wir sind zum größten Teil gleich – unsere Organe und Verteidigungssysteme funktionieren, wenn sie funktionieren, gleich oder zumindest sehr ähnlich.
Wenn diese nicht mehr richtig funktionieren – vertragen wir gewisse Lebensmittel nicht mehr gut. Das heißt aber nicht, dass wir mit diesem Defizit leben müssen – oft ist es in erster Linie das Mikrobiom, das nicht mit der Nahrung zurechtkommt – und das können wir bekanntlich leicht ändern.
Auch die DNA kann durch unsere Ernährung repariert, geschützt und aktiviert bzw. deaktiviert werden. Das passiert jeden Tag im großen Stil.
Unsere Umwelt hat einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit: Sind nachhaltige Lebensmittel auch gleich gesünder?
Marcel Schürmann: Das kann man so generell nicht sagen, die Tendenz stimmt jedoch: nachhaltige Lebensmittel, sprich Nahrungsmittel, die unserem Planeten guttun, sind generell gesünder, da sie weniger verarbeitet sind und die Natur sie über Jahrmillionen entwickelt und für uns, unsere Region und die saisonalen Bedingungen angepasst hat.
Im Ziel Umwelt der Food Secrets App findet man den Saison-Filter. Damit findet man alle saisonalen Nahrungsmittel wie z.B. die häufigsten Wildkräuter, die zurzeit auf den Wiesen mit geeigneten Wirkstoffen auf uns warten. Mit dem Umwelt-Ranking bewerten wir die Nahrungsmittel nach deren Co2-Belastung.
Zeigt die App auch Möglichkeiten auf, gesunde Ernährung in den täglichen Speiseplan zu integrieren?
Sobald man herausgefunden hat, welche Lieblings-Nahrungsmittel optimal für die persönlichen Ziele geeignet sind, kann man diese als Zutat für den Rezept Generator verwenden. Der Generator sucht im Internet Rezept-Ideen mit diesen Zutaten und zeigt sie an.
Zutatenkombinationen können erneut aufgerufen werden und durch das Ersetzen einer Zutat können spielerisch neue Rezept-Variationen erstellt werden. So lassen sich einfach und zielgerichtet immer wieder neue Leckereien generieren, die unsere Gesundheit und unsere Ziele optimal unterstützen.
Wer ist Marcel Schürmann?
Marcel Schürmann – der Gründer der „Food Secrets – Ernährung 4.0“ App kennt sich mit Daten, Informationen und Algorithmen aus. Er hat lange im Business Intelligence und Data Science gearbeitet und hat deshalb ideale Voraussetzungen für die Bewertung komplexer Themen wie die Ernährung. Aus dem Vergleich diverser Metastudien hat er eine Datenbasis für Mikronährstoffe und Pflanzenstoffe geschaffen.
HIER SCHREIBTMarie-Theres Rüttiger
Marie-Theres ist Online Redakteurin für Gesundheits- und Versicherungsthemen bei ottonova. Sie konzipiert den Redaktionsplan, recherchiert und schreibt vor allem über (E-)Health und Innovation, die das Leben besser machen.