Bio-Siegel: Was bedeuten die verschiedenen Symbole?
Einkaufen ist kompliziert geworden – Inhaltsstoffe hier, Nährwerte da und dann noch Siegel über Siegel. Wer soll da durchblicken? Wir haben für dich recherchiert: Was bedeuten die verschiedenen Bio-Siegel? Welche Kriterien stecken dahinter und wer entscheidet, wo welches Siegel stehen darf?
Inhalt des Ratgebers
Bio-Siegel - kurzer Überblick:
1. Irreführende Verpackungen vs. Realität: Verpackungen tierischer Produkte vermitteln oft eine idyllische Landwirtschaft, die wenig mit den realen Bedingungen der industriellen Massentierhaltung zu tun hat. Bio-Siegel schaffen hier Transparenz.
2. Bedeutung und Unterschiede von Bio-Siegeln: Das EU-Bio-Siegel und das deutsche Bio-Siegel garantieren strenge ökologische Richtlinien. Anbauverbände wie Demeter, Bioland und Naturland setzen darüber hinaus strengere Standards für Tierwohl und Umweltschutz.
3. Achtsamkeit beim Einkauf: Verbraucher sollten auf geschützte Bio-Siegel achten, da nicht geschützte Bezeichnungen wie „aus kontrolliertem Anbau“ oder „naturnaher Anbau“ oft irreführend sind und keine gesicherten Standards bieten.
Trügerische Idylle auf Verpackungen: Warum Bio-Siegel bei tierischen Produkten den Unterschied machen
Die Milchpackung zeigt das Bild einer glücklich grasenden Kuh. Das Tier steht auf einer sattgrünen Wiese, die Sonne streichelt sein schwarz-weiß geflecktes Fell. Auf dem Eierkarton geht es ähnlich idyllisch zu: Zwischen Gänseblümchen und Löwenzahnblüten laufen gackernde Hühnchen umher. Hach, wie schön! Wenn man sich die Verpackungen tierischer Produkte so ansieht, bekommt man den Eindruck, die Landwirtschaft würde wie in einem Bilderbuch für Dreijährige funktionieren: Wir stellen uns einen latzhosentragenden Bauer vor, der liebevoll seine drei Milchkühe versorgt, die kleine Hühnerschar füttert und dem zufrieden grunzenden Schwein die Öhrchen krault.
Leider hat diese heile Welt wenig mit der Realität in deutschen Ställen zu tun. Was auf der Packung so schön nach „Old MacDonald Had A Farm“ aussieht, soll häufig über die industrielle Massentierhaltung mit all ihren negativen Begleiterscheinungen hinwegtäuschen: Gentechnik, Antibiotika-Einsatz, unterirdische Haltungsbedingungen und Tier-Elend. Davon haben immer mehr Menschen die Schnauze voll. Sie wollen sich nicht mehr von bunten Bildchen in die Irre führen lassen und vertrauen auf Bio-Siegel, die verantwortungsvollen Genuss im Sinne einer gesunden Ernährung garantieren sollen. Doch auch hier ist Vorsicht geboten: Inzwischen gibt es über 100 verschiedene Öko-Labels und Bio-Siegel in Deutschland, außerdem unzählige mehrdeutige Formulierungen, die unser Gewissen beim Einkauf beruhigen sollen. Wir vergleichen verschiedene gängige Bio-Siegel miteinander und verraten, wo „bio“ wirklich „bio“ ist.
Die Realität in deutschen Ställen: Industrielle Massentierhaltung, Gentechnik und unterirdische Haltungsbedingungen.
Zunächst klären wir, was „bio“ überhaupt bedeutet. Der Begriff „bio“ steht für „biologische Landwirtschaft“ und ist EU-weit durch die EG-Öko-Verordnung rechtlich geschützt. Das heißt, dass alle Bio-Produkte bestimmte Mindeststandards erfüllen müssen, die über die Richtlinien der konventionellen Landwirtschaft hinausgehen. Gleiches gilt für Lebensmittel, die die Formulierungen „öko“ und „aus kontrolliert biologischem Anbau“ tragen: Sie fallen ebenfalls unter die EG-Öko-Verordnung, für die besondere Kriterien gelten.
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95% der verwendeten Zutaten müssen aus Bio-Anbau stammen.
Der Einsatz von synthetischem Stickstoffdünger und chemischen Pestiziden ist verboten.
Die Fütterung von wachstums- und leistungssteigernden Mitteln ist verboten.
Die Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen ist verboten.
Verschiedene Zusätze wie synthetische Farbstoffe, Konservierungsmittel, Stabilisatoren und Geschmacksverstärker sind verboten.
Auf den Feldern sorgen Fruchtfolgen dafür, dass die Böden nicht allzu stark ausgelaugt werden.
Für Ställe und Freiflächen werden abhängig von der Tierart und dem Gewicht des Tieres bestimmte Mindestmaße vorgegeben.
Die Tiere bekommen Bio-Futter ohne Antibiotika-Zusatz. Der Antibiotika-Einsatz ist grundsätzlich stark eingeschränkt.
EU-Bio-Siegel und deutsches Bio-Siegel: Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Zertifikate
Wird ein landwirtschaftliches Produkt nach den Vorgaben der EG-Öko-Verordnung hergestellt, darf es das EU-Bio-Siegel tragen. Dieses wurde im Juli 2010 eingeführt und zeigt auf hellgrünem Grund weiße Sterne, die blattförmig angeordnet sind. Hersteller, die das EU-Bio-Siegel verwenden, werden mindestens einmal pro Jahr von einer privaten Öko-Kontrollstelle überprüft. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die gesetzlichen Vorgaben für die Bio-Landwirtschaft auch eingehalten werden. Was manchmal für Verwirrung sorgt ist ein zweites, sechseckiges Bio-Siegel, das ebenfalls viele Bio-Produkte tragen. Es handelt sich dabei um das deutsche Bio-Siegel, das bereits seit 2001 existiert. Es garantiert dieselben Produktionsauflagen wie das EU-Bio-Siegel. Aber weil das deutsche staatliche Bio-Siegel älter und dadurch vielen Verbrauchern geläufiger ist als die europäische Variante, verwenden manche Bio-Hersteller einfach beide Logos. Einen Qualitätsunterschied gibt es nicht zwischen beiden Siegeln.
Kritik am EU-Bio-Siegel
Wer vergibt eigentlich das Bio-Siegel? Auf europäischer Ebene ist die Europäische Union zuständig, bei deutschen Produkten das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung. Gekennzeichnet werden unter anderem Fleisch, Käse, Milch, Gemüse, Eier, Salat, Obst, Getreideprodukte und Gewürze. Das deutsche sechseckige Bio-Siegel ziert inzwischen über 77.000 Produkte, die von über 4.000 Erzeugern hergestellt werden. Das EU-Bio-Siegel findet sich europaweit sogar auf mehreren hunderttausend Waren. Das klingt nach einer ganzen Menge, dennoch macht der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche in Deutschland gerade mal knapp 10% aus. EU-weit sind es sogar nur knapp 7%. Doch nicht nur der geringe Ausbau der Öko-Landwirtschaft sorgt für Kritik, auch das EU-Bio-Siegel selbst hat nicht nur Fans.
Insbesondere die undurchsichtigen Kontrollen der Bio-Betriebe werden von Fachleuten immer wieder bemängelt. Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelkennzeichnung bei Foodwatch, gibt zu bedenken: „Der Produzent vor Ort kann sich aussuchen, welche Öko-Kontrollstelle oder wer genau ihn kontrolliert.
Der Unterschied im Preis von konventionellen Produkten und ökologischen Produkten ist sehr groß und deswegen ist es attraktiv für Betrüger, in diesem Segment Sachen unterzujubeln, die eigentlich gar keine Bio-Produkte sind.“ Das bedeutet konkret: Die laxen Kontrollmechanismen ermöglichen Etikettenschwindel. „Es gibt einen Interessenskonflikt, dass man einerseits seine Arbeit gut machen soll, andererseits aber von den Kunden finanziell abhängig ist. Da ist man ganz oft dem Druck ausgesetzt: Wenn ihr uns das Zertifikat nicht gebt, dann gehen wir zur Konkurrenz“, berichtet ein Insider dem ARD-Magazin „Vorsicht Verbraucherfalle“.
Eigene Siegel bei Bioland, Naturland und Demeter
Dennoch stuft die nichtstaatliche Umwelt- und Naturschutzorganisation BUND das staatliche Bio-Siegel als „im Wesentlichen vertrauenswürdig“ ein. Wem der Umweltschutz und das Tierwohl am Herzen liegen, der ist mit derart gekennzeichneten Lebensmitteln schon mal ganz gut beraten. Es geht aber noch besser. Verschiedene Anbauverbände wie Demeter, Bioland und Naturland haben sich selbst freiwillig strengere Richtlinien auferlegt.
Diese gehen weit über die Mindestkriterien hinaus, die das EU-Bio-Siegel vorschreibt. Ein Beispiel: Während ein „normaler“ Bio-Bauer 20.000 Hühner pro Gebäude halten darf, sind es bei Naturland 12.000, bei Bioland 6.000 und bei Demeter nur 3.000. Und auch bei der Enthornung von Rindern gibt es Unterschiede: Laut EG-Öko-Verordnung ist diese Prozedur erlaubt, bei Naturland, Bioland und Demeter aber verboten bzw. nur im Ausnahmefall gestattet. Über diese besonders tierfreundlichen Haltungsbedingungen, die über die Anforderungen der EU hinausgehen, informieren die verschiedenen Logos der Verbände. Es gibt also jeweils ein eigenes Naturland-, Bioland- und Demeter-Siegel. Gewusst? Auch die Richtlinien des Interessenverbands GÄA e.V. und des Anbauverbands Biopark übertreffen die EU-Bio-Mindeststandards, was auf der Verpackung durch spezielle Logos gekennzeichnet wird.
App: NABU Siegel-Check
Fotografiere Logos auf Lebensmitteln und die App sagt dir, ob das Produkt ökologisch zu empfehlen ist.
Bio-Siegel vs. irreführende Bezeichnungen: Worauf du beim Einkauf wirklich achten solltest
Es gibt also verschiedene Bio-Siegel, die unser Vertrauen verdient haben. Anders sieht es mit nicht geschützten Bezeichnungen wie „aus kontrolliertem Anbau“ oder „aus naturnahem Anbau“ aus. Diese Formulierungen darf jeder auf seine Verpackung drucken. Sie sagen nichts über die Art der Erzeugung aus: Was bedeutet in diesem Zusammenhang „naturnah“? Und wer kontrolliert hier wen? All das bleibt bei solch irreführenden Beschreibungen im Dunkeln. Auch die Floskel „aus regionalem Anbau“ ist kritisch zu sehen, denn wo soll diese „Region“ sein? In deinem Nachbarort? In deinem Bundesland? Oder irgendwo in Deutschland? Wenn du beim Einkauf sichergehen möchtest, Lebensmittel aus nachhaltiger Landwirtschaft zu erwischen, halte die Augen nach dem deutschen bzw. dem EU-Bio-Siegel offen. Etwas teurer, aber unter noch besseren Bedingungen erzeugt, sind meist die Waren der Anbauverbände Naturland, Bioland und Demeter, die du an ihren individuellen Logos erkennst. Jetzt bist du bestens gewappnet für den nächsten Einkauf und weißt sofort, wo wirklich „bio“ drin ist.
Bio-Siegel nutzen: Voraussetzungen für die Kennzeichnung mit Bio-Siegel und EU-Bio-Logo
Du möchtest das Bio-Siegel zur Kennzeichnung deiner Produkte verwenden? Das sechseckige deutsche Bio-Siegel kann zusätzlich zum EU-Bio-Logo (dem Euro-Blatt auf grünem Hintergrund) genutzt werden, wenn dein Unternehmen bereits nach den EU-Vorgaben für ökologischen Landbau zertifiziert wurde. Diese Zertifizierung erfolgt durch eine zugelassene Kontrollstelle und berechtigt dich, das EU-Bio-Logo zu führen.
Folgende Produkte sind gemäß den EU-Richtlinien für den ökologischen Landbau zertifizierbar:
Lebende oder unverarbeitete Erzeugnisse aus Landwirtschaft oder Aquakultur
Verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse und Aquakulturerzeugnisse, die als Lebensmittel oder Futtermittel bestimmt sind
Saatgut und vegetatives Vermehrungsmaterial
Produkte, die nicht nach den EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau zertifiziert werden können, umfassen:
Erzeugnisse der Jagd und Fischerei wildlebender Tiere
Kosmetika
Arzneimittel
Produkte aus Umstellungsbetrieben
HIER SCHREIBTMarie-Theres Rüttiger
Marie-Theres ist Online Redakteurin für Gesundheits- und Versicherungsthemen bei ottonova. Sie konzipiert den Redaktionsplan, recherchiert und schreibt vor allem über (E-)Health und Innovation, die das Leben besser machen.