KI in der Krankenversicherung – Kann sie das Beratungsgespräch ersetzen?

Die einen Datenschützer und Digitalexpertinnen warnen. Andere nutzen generative KI mit der Begeisterung, die einst die Erfindung des Internets ausgelöst hat. Die aktuellen Entwicklungen bei der generativen KI sind rasant: Was gestern noch Gültigkeit hatte (Italien sperrt Zugang zu ChatGPT), ist heute bereits passé (Nachbesserungen beim Datenschutz, ChatGPT ist in Italien wieder freigegeben). Doch wie sieht der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Versicherungsbranche aus? Müssen Berater und Maklerinnen jetzt gar darum fürchten, ersetzt zu werden, weil Chatbots alle Antworten geben können? Wir haben es ausprobiert und können Entwarnung geben.

Inhalt des Ratgebers

generative KI

Kaum jemand kommt derzeit an generativer KI vorbei, die zum Staunen der einen oder zum Fürchten der anderen erstaunliche Ergebnisse liefert. 

Gerade digitale und technologieoffene Unternehmen wie ottonova, die schon viel auf automatisierte Prozesse setzen, um effizienter arbeiten zu können, müssen sich mit den Chancen und Risiken des Einsatzes von generativer KI beschäftigen und für sich ausloten, inwiefern sie diese nutzen können und möchten. Denn die Nutzung geht mit Chancen und mit Risiken einher.

Auch wenn es weitaus mehr KI-Anwendungen zur Text- oder Bildgenerierung (z.B. Midjourney) gibt, so ist der Chatbot „ChatGPT“ wohl die bekannteste. Doch was ist generative KI?

Wie funktioniert generative Künstliche Intelligenz (KI)?

Eine generative künstliche Intelligenz (KI) ist eine Art von künstlicher Intelligenz, die darauf abzielt, neue Daten zu generieren, die den Mustern und Eigenschaften von vorhandenen Daten ähneln. Im Gegensatz zu anderen Arten von KI, die darauf abzielen, spezifische Aufgaben zu erfüllen oder Daten zu analysieren, ist das Ziel von generativer KI, Daten zu erstellen, die auf eine Art und Weise organisiert sind, zum Beispiel Texte, Bilder oder sogar Videos.

Generative KI wird mit einer großen Menge von Bild- oder Textdaten trainiert, um menschenähnlichen Text zu generieren. Sie kann Texte schreiben, Fragen beantworten und auf Anfragen reagieren, indem sie Muster in den ihm zur Verfügung stehenden Daten erkennt und diese verwendet, um neue Inhalte zu generieren.

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Auf die Frage, ob er intelligent sei, antwortet der Chatbot "ChatGPT“ übrigens:

„Ich bin ein Computerprogramm, das darauf ausgelegt ist, menschenähnlichen Text zu generieren und auf Fragen zu antworten. Ob man das als "Intelligenz" bezeichnen möchte, hängt von der Definition von Intelligenz ab. Ich habe keine eigenen Gedanken oder Empfindungen, sondern arbeite ausschließlich auf der Grundlage von Mustern und Daten, die ich während meines Trainingsprozesses gelernt habe. Aber ich kann bestimmte Aufgaben und Anforderungen erfüllen, die mir gestellt werden, und in dieser Hinsicht kann man mich als "intelligent" bezeichnen.“

Wo ist generative KI schon im Einsatz?

Die generative KI wird schon in einigen Bereichen eingesetzt oder hat das Potential dort zukünftig vermehrt eingesetzt zu werden. Dazu gehören:

  1. Sprachverarbeitung: automatische Generierung von Texten in vielen Anwendungen wie z.B. Chatbots, Automatisierte Textgenerierung für Marketing und Werbung, Übersetzung, Zusammenfassungen und mehr.
  2. Kreativindustrie: Generierung von kreativen Inhalten wie Musik, Kunst, Poesie und Literatur (Einige KI-generierte Kunstwerke wurden bereits auf Auktionen für hohe Summen versteigert).
  3. Automatisierung: Automatisierung von Prozessen und Entscheidungen durch die schnelle Analyse großer Datenmengen.
  4. Wissenschaft und Forschung: Generierung von Hypothesen und Modellen in der Wissenschaft und der Forschung, um bessere Ergebnisse in der Datenanalyse und Simulationen zu erzielen.

Die Zahl der Unternehmen und Organisationen, die die OpenAI-Technologie verwenden, wächst.* Bereits im Januar 2023 war generative KI in folgenden Branchen im Einsatz:

*Quelle: Statista

Branche

Zahl der Unternehmen

Technologie

251

Bildung

209

Dienstleistungen

98

Produktion

89

Finanzen

44

Einzelhandel

35

Gesundheit

24

Regierung

18

Medien

17

Andere

117

Warum die KI menschliche PKV-Beratung nicht ersetzen kann

ottonova hat sich der Frage nach der Nutzung generativer KI angenommen und den Selbstversuch unternommen: Kann der Chatbot ohnehin alle relevanten Antworten geben und macht damit das Beratungsgespräch in der Versicherung obsolet?

In unserer Video-Reihe "Heribert helps" hat sich unser Versicherungsberater Heribert mit einer generativen KI "unterhalten" und sich Versicherungsfragen beantworten lassen.

Nach Absprache mit dem PKV-Berater Heribert Lechner zu häufigen Fragen von PKV-Interessierten wurden der KI folgende Fragen gestellt:

  1. Wer kann sich privat krankenversichern?
  2. Wird die private Krankenversicherung im Alter unbezahlbar?
  3. Wie funktionieren Altersrückstellungen in der privaten Krankenversicherung?
  4. Kann ich gezahlte Altersrückstellungen beim PKV-Wechsel mitnehmen?
  5. Wie funktioniert die Rechnungserstattung in der privaten Krankenversicherung?
  6. Kann ich wegen Krankheit aus der privaten Krankenversicherung rausgeworfen werden?
  7. Komme ich wieder raus aus der privaten Krankenversicherung?

Dass es die menschliche Korrektur und Einordnung der Antworten noch immer braucht, gerade bei so komplexen Themen wie der Wahl der Krankenversicherung, zeigt das Video:

Chancen generativer KI für die Versicherungsbranche

Viele sehen großes Potential der generativen KI für die Arbeitswelt. "Generative AI can make workers at least 10% more efficient and/or creative: they become not only faster and more efficient, but more capable than before", heißt es zum Beispiel von Sequoia Capital, die unter anderem in Zoom, Airbnb, Apple oder Instagram investiert sind.

Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die Versicherungsbranche nachhaltig zu verändern und kundenorientierte Lösungen anzubieten. Von automatisierter Risikobewertung oder Schadensmanagement und Rechnungsprüfung bis hin zu personalisiertem Kundenservice - KI ermöglicht effizientere Prozesse und verbesserte Entscheidungsfindung.

Mit fortschrittlichen Algorithmen und maschinellem Lernen können Versicherer große Datenmengen analysieren, um Risiken besser einzuschätzen, Betrug aufzudecken und individuelle Versicherungslösungen anzubieten.

Chatbots und virtuelle Assistenten können rund um die Uhr Support bieten. Datenanalyse und prädiktive Modelle ermöglichen es Versicherern, individuelle Tarife und Policen anzubieten, die den Bedürfnissen der Kunden und Kundinnen besser entsprechen.

Allerdings sind auch ethische und datenschutzrechtliche Fragen zu beachten. Außerdem lässt sich die qualifizierte Beratung durch Experten und Expertinnen nicht durch einen Chatbot ersetzen.

Risiken der generativen KI für die Versicherungsbranche

Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz birgt aber auch einige Risiken und wirft Probleme auf, denen es zu begegnen gilt.

  1. Diskriminierung: 
    KI-Algorithmen sind nicht frei von Vorurteilen. Sie werden mit vorhandenen Daten trainiert, in denen sich auch Vorurteile widerspiegeln. Auch sind Entwicklerteams, die die KI-Systeme entwickeln und trainieren selbst oft zu wenig divers, sodass bestimmte Merkmale einfach zu wenig Beachtung finden.

    So haben Studien ergeben, dass der KI-Einsatz beispielsweise in Bewerbungsprozessen trotz allem zur Bevorzugung weißer Männer führt, da die Trainingsdaten nahelegen, dass diese am erfolgreichsten wären, nur weil diese in der Vergangenheit bevorzugt eingestellt wurden. Auch erkennt KI beispielsweise die Gesichter weißer Männer besser als die von schwarzen Frauen.

    Diese Systeme können aufgrund von Vorurteilen in den Daten, auf denen sie trainiert wurden, diskriminierende Entscheidungen treffen.
  2. Vertraulichkeit und Datenschutz: 
    KI-Systeme haben Zugang zu großen Mengen sensibler Daten, einschließlich medizinischer Aufzeichnungen, Kreditwürdigkeit und anderen persönlichen Informationen. Ein Verstoß gegen den Datenschutz könnte dazu führen, dass diese Informationen in falsche Hände geraten und missbraucht werden. Ob der Zugang von KI zu diesen Daten rechtmäßig ist, ist noch nicht geklärt, weshalb ottonova KI keinen Zugang zu sensiblen Daten gibt.

    Eine Lösung dafür könnte es sein, in house eine generative KI zu entwickeln, mit eigenen Daten selbst zu trainieren und zu hosten, welche dann der Customer Support oder das Sales-Team nutzen könnte. Doch dies ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die Entwicklung des Chatbots BERT kostet 10 Millionen US-Dollar, für GPT-3 waren es 12 Millionen US-Dollar.
  3. Wahrheitsgehalt: 
    Eine Studie der Cornell-University hat AI Sprachmodelle auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht und herausgefunden, dass diese nur zu 58% wahre Aussagen treffen (Im Vergleich dazu Menschen: 94%). Es kann also sein, dass die KI „plausible sounding nonsense“ produziert, der einer menschlichen Bewertung bedarf.

    KI-Modelle besitzen die Tendenz neue Daten zu generieren, die inhaltlich ähnlich aber nicht unbedingt korrekt sind. Dies wird „Hallucination“ genannt und tritt häufig auf, wenn die KI mit unzureichenden oder fehlerhaften Trainingsdaten arbeitet oder wenn es ihr an Kontextverständnis mangelt.

    Ein Beispiel wäre, wenn eine KI, die darauf trainiert wurde, Bilder von Hunden zu generieren, versehentlich Bilder von Fantasietieren generiert, die Merkmale von Hunden aufweisen, aber in der Realität nicht existieren. Dies kann auch bei Sprachmodellen vorkommen, wenn sie unlogische oder widersprüchliche Sätze erzeugen, die zwar grammatikalisch korrekt sind, aber keinen Sinn ergeben.
  4. Transparenz: 
    Es kann schwierig sein, die Entscheidungen von KI-Systemen nachzuvollziehen und zu erklären, insbesondere wenn sie auf komplexen Algorithmen basieren. Dies könnte das Vertrauen der Verbraucher in die Branche beeinträchtigen.
  5. Fehlende menschliche Bewertung:
    KI-Systeme können in der Lage sein, schnelle und automatisierte Entscheidungen zu treffen, aber es fehlt ihnen oft das menschliche Urteilsvermögen und die Fähigkeit, Kontexte zu verstehen. Dies könnte dazu führen, dass wichtige Aspekte bei der Risikobewertung übersehen werden.
  6. Cybersecurity:
    Die zunehmende Abhängigkeit von KI-Systemen in der Versicherungsbranche macht sie anfällig für Cyberangriffe. Ein erfolgreicher Angriff könnte dazu führen, dass sensible Daten gestohlen oder gelöscht werden, was für die betroffenen Personen und Unternehmen schwerwiegende Folgen haben kann.
  7. Urheberrecht:
    Bei der Reproduktion von bestehenden Inhalten zur Generierung neuer Inhalte durch die KI ist die Urheberrechtsfrage bisher noch ungeklärt. Es gab auch schon erste Klagen, beispielsweise von Getty Images gegen die generative Bild-KI Midjourney. Die EU bereitet deshalb den AI Act vor, um sich diesem Problem zu stellen.

    Das Feld der (generativen) Künstlichen Intelligenz ist aber vor allem durch eines geprägt: rasante Geschwindigkeit in der Entwicklung. Probleme, die es heute gibt, können morgen schon von neuen Problemen abgelöst worden und nicht mehr relevant sein, wie es Bill Gates formuliert hat: "Whatever limitations it has today will be gone before we know it."

Wie denken Kunden und Kundinnen über KI im Kundenservice?

Die Anwendung von KI in der Versicherungsbranche hat auch Auswirkungen auf das Kundenerlebnis und das Vertrauen. Die Universität St. Gallen hat dies in einer Studie untersucht. Das Ergebnis: Berater und Beraterinnen werden Chatbots definitiv vorgezogen.

Nur in einem Bereich empfanden die (jüngeren) Befragten die Interaktion mit einem Chatbot als positiv: im Bereich Schadensmanagement. Denn der Einsatz von KI in diesem Bereich ermöglicht es den Versicherern Schäden und eingereichte Rechnungen schneller und effizienter zu prüfen und die Rechnungserstattung schneller in die Wege zu leiten.

Wenn es aber um die individuelle Versicherungsberatung geht, sind traditionelle Beratungsgespräche ein relevanter Vertrauensfaktor von Kunden und Kundinnen in eine Versicherung.

Andere digitale Services wie ein Customer-Chat oder ein gewisser Grad an Self-Service wie die Möglichkeit Verträge online abzuschließen und Rechnungen per App einzureichen fanden hingegen viel positive Resonanz.

Marie-Theres Rüttiger
HIER SCHREIBT Marie-Theres Rüttiger

Marie-Theres ist Online Redakteurin für Gesundheits- und Versicherungsthemen bei ottonova. Sie recherchiert und schreibt vor allem über Krankenversicherung, (E-)Health und digitale Innovation, die das Leben besser machen.

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