Digitalisierung im Krankenhaus: Was kommt nach Corona?

Das Coronavirus hat der Digitalisierung in Deutschland einen längst überfälligen Schub verpasst. Wie ist es um die Infrastruktur in den Krankenhäusern bestellt? Welche Maßnahmen wurden bereits ergriffen, was muss noch passieren? Unsere Einschätzung zum Thema Digitalisierung im Krankenhaus.

Inhalt des Ratgebers

Digitalisierung im Krankenhaus - kurzer Überblick:

  • Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung in Deutschland, insbesondere im Krankenhauswesen, stark beschleunigt und technische Entwicklungen gefördert, die lange überfällig waren.
  • Es gibt noch viel Potenzial für Verbesserungen in der Digitalisierung der Krankenhäuser, insbesondere bei der Vernetzung und dem Datenaustausch, wie die Panne bei der Übermittlung von Corona-Testergebnissen zeigt.
  • Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) stellt 4,3 Milliarden Euro für die Digitalisierung deutscher Krankenhäuser bereit, wobei der Mensch – sowohl Mitarbeiter:innen als auch Patient:innen – im Fokus der Digitalisierungsstrategie stehen muss.

Durch Corona ist die Zustimmung zur Digitalisierung in Deutschland allgemein gestiegen. Maßnahmen wie Videosprechstunden, Online-Terminvergaben und Online-Krankschreibungen wurden von vielen Menschen dankbar angenommen. Doch in Zukunft muss noch mehr kommen: Um die digitale Infrastruktur der Krankenhäuser zu verbessern, sind Investitionen in Milliardenhöhe nötig. Die Einführung der elektronischen Patientenakte ist für 2021 angekündigt worden.

Corona beschleunigt den digitalen Fortschritt

Das Coronavirus hat unser Leben in vielen Bereichen umgekrempelt. Was noch vor kurzer Zeit undenkbar schien, ist nun Realität. Leere Fußballstadien, abgesagte Festivals, Reisewarnungen für Spanien und der obligatorische Mund-Nase-Schutz im Supermarkt gehören zu den Pandemie-Bekämpfungsmaßnahmen, die wir alle zu spüren bekommen. 

Doch inzwischen ist klar: Corona hat auch eine positive Seite. Die Covid19-Pandemie verpasst der Digitalisierung in Deutschland einen enormen Schub. Auf einmal ist die Arbeit im Home-Office nicht mehr nur die zähneknirschend tolerierte Ausnahme, sondern gelebte Normalität. Für internationale Meetings muss nicht mehr einmal um den halben Erdball geflogen werden, denn Konferenzen finden nun ganz einfach per Videocall statt. Die Jogginghose ersetzt Jeans und Chino.

In diesem Zusammenhang ist immer wieder von „Corona als Katalysator“ die Rede. Das Virus beschleunigt technische und gesellschaftliche Entwicklungen, die teilweise längst überfällig waren. Das zeigt sich auch in den verschiedenen medizinischen Einrichtungen, dem Schauplatz der aktuellen Pandemie. Doch wie steht es eigentlich um die Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern? Welche Maßnahmen wurden bereits ergriffen? Was ist in Zukunft geplant? Was bedeutet das für die Patienten? Hier ist unsere Einschätzung für dich.

Digitalisierung der Medizin: Es gibt noch viel zu tun

Keine Frage, bisher ist Deutschland im internationalen Vergleich relativ gut durch die Coronakrise gekommen. Dafür gibt es mehrere Ursachen, etwa unser weltweit einzigartiges duales Gesundheitssystem und die hervorragende medizinische Infrastruktur in der Bundesrepublik.

Doch dieser Erfolg darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in deutschen Krankenhäusern Verbesserungspotenzial gibt – insbesondere im Bereich der Digitalisierung. Um schnelle und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung zu gewährleisten, muss beispielsweise der Datenaustausch zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken einwandfrei funktionieren. 

Dass das noch lange nicht der Fall ist, beweist die schlagzeilenträchtige Logistik-Panne bei der Übermittlung von Corona-Testergebnissen im August in Bayern. Tausende Reiserückkehrer warteten wochenlang auf ihre Untersuchungsergebnisse, einige Infizierte konnten überhaupt nicht mehr ermittelt werden. Über den Grund für diese Panne berichtete unter anderem die Süddeutsche Zeitung: In den Testzentren wurden handschriftliche Papierdokumente benutzt, die erst mühsam erfasst und ausgewertet werden mussten – dadurch ging wertvolle Zeit verloren. Es gibt also noch viel zu tun in Sachen Healthcare-Digitalisierung in Deutschland.

Digitalisierung im Krankenhaus bedeutet Veränderung 

Die Digitalisierung im Krankenhaus bedeutet tiefgreifende Veränderungen in Technik, Prozessen und für die Menschen, die dort arbeiten. Durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) wurde ein Krankenhauszukunftsfonds geschaffen, der die Digitalisierung und IT-Sicherheit in Krankenhäusern mit 4,3 Milliarden Euro fördert. Krankenhäuser haben nun die Möglichkeit, dringend benötigte Digitalisierungsprojekte umzusetzen, müssen jedoch schnell handeln, um Abschläge nach der Laufzeit des KHZG zu vermeiden. Neben dem KHZG gibt es zusätzliche Förderprogramme, sodass die Digitalisierung im Krankenhaus maßgeblich vom effektiven Fördermittel- und Projektmanagement abhängt.

Die Herausforderung liegt darin, diese staatlich geförderten Digitalisierungsprojekte zügig und strategisch klug umzusetzen, denn weitere Förderungen in dieser Größenordnung sind unwahrscheinlich. Der Erfolg dieser Projekte hat einen erheblichen Einfluss auf die Zukunftssicherung der Krankenhäuser.

Dabei darf die Digitalisierung im Krankenhaus nicht nur auf Technik und Prozesse fokussiert sein. Der Mensch – sowohl Mitarbeiter:innen als auch Patient:innen – muss im Mittelpunkt jeder Digitalisierungsstrategie stehen, um nachhaltigen Erfolg zu gewährleisten.

Forderung nach einheitlicher Strategie

Was fehlt, ist eine einheitliche Digitalisierungsstrategie. Bisher gibt es lediglich kleinteilige Insellösungen, die in verschiedenen deutschen Krankenhäusern umgesetzt werden. 

Einige Beispiele: Die Aachener Uniklinik bietet im Rahmen des Projekts „telnet.nrw“ virtuelle Visiten und Expertenmeinungen ihres Infektiologen an. An der Uniklinik Essen ist seit Kurzem eine App im Einsatz, die Informationen aus dem Haupthaus und den Tochterkliniken vernetzt. Die Asklepios-Kliniken setzen verstärkt auf Videosprechstunden und Online-Terminvergaben. Alle diese Maßnahmen sind wichtig und richtig. Doch um die Arbeit von Ärzten, Pflegekräften und Gesundheitsämtern wirklich spürbar zu erleichtern, muss der Datenaustausch untereinander vereinheitlicht und vereinfacht werden. Ein wichtiges Mittel hierfür, da sind sich viele medizinische Experten einig, ist die flächendeckende Einführung der vieldiskutierten elektronischen Patientenakte. Diese ist für 2021 geplant. 

Digitalisierung Krankenhaus graphic

Wer finanziert die Digitalisierung im Krankenhaus?

Wenn die Digitalisierung deutscher Krankenhäuser so wichtig ist, warum sind wir dann nicht schon viel weiter? Ein Problem war lange Zeit die Finanzierung. Laut Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD), wird die flächendeckende Digitalisierung der Krankenhäuser in den kommenden Jahren etwa zwei Milliarden Euro jährlich kosten. Er sagte gegenüber dem Ärzteblatt: „Eine gute Gesundheitsversorgung ist eine wichtige Infrastrukturleistung für die Bürger.“ Die Digitalisierung könnten die Krankenhäuser jedoch nicht alleine stemmen. Deshalb forderte der Präsident der Krankenhausdirektoren bereits 2017: „Wir brauchen daher speziell für diesen Zweck eine Investitionsoffensive aus Bundesmitteln.“

Danach ist (viel zu) lange nichts passiert. Erst im September 2020 hat die Bundesregierung das Krankenhauszukunftsgesetz auf den Weg gebracht. Es sieht ein Investitionsprogramm in Milliardenhöhe vor und soll unsere Krankenhäuser endlich digitaler machen. Gesundheitsminister Jens Spahn erklärt:

„Die deutschen Krankenhäuser und Kliniken brauchen einen Investitionsschub. Bund und Länder investieren deshalb über vier Milliarden Euro in moderne Notfalleinrichtungen, digitale Lösungen und ein Höchstmaß an IT-Sicherheit. So verbessern wir die Versorgung von Patientinnen und Patienten und sorgen für mehr Sicherheit.“

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Diese längst überfällige Finanzspritze kann von den Krankenhäusern zum Beispiel dafür verwendet werden, Pflege- und Behandlungsleistungen digital zu dokumentieren, Patientenportale einzurichten oder die notwendigen telemedizinischen Netzwerkstrukturen zu schaffen.

In seinem Vorwort zum Innovationsforum „Digitale Gesundheit 2025“ schreibt Jens Spahn: „Wir haben umfangreiche gesetzgeberische Impulse gesetzt, von der Telematikinfrastruktur bis zur Telemedizin, von der Interoperabilität bis zu digitalen Anwendungen für die Patientinnen und Patienten. Die elektronische Patientenakte kommt, das elektronische Rezept kommt. Das alles wird nun langsam greifbarer und beginnt zu arbeiten, Zusammenhänge zu zeigen und Folgewirkungen zu entfalten. Nicht nur in den konkreten Umsetzungsschritten. Sondern vor allem in den Köpfen. Und genau das brauchen wir, wenn der große Umgestaltungsprozess fruchtbar werden und sein volles Potenzial entfalten soll.“

Zustimmung zur Digitalisierung wächst

Widerstand gegen die Digitalisierung im Krankenhaus kam bisher auch von Datenschützern. Es kursierte die Schreckensvorstellung vom „gläsernen Patienten“, dessen gesundheitliche Probleme öffentlich zu werden drohten. Doch im Zuge der Corona-Pandemie scheinen diese Bedenken abzunehmen. Schließlich haben viele Menschen nun hautnah erlebt, welche Vorteile die Digitalisierung mit sich bringt. Dies belegt eine Studie des Digitalverbands Bitkom, für die mehr als 1.000 Personen in Deutschland ab 16 Jahren befragt wurden. 

Demnach steht knapp jeder Dritte (32 %) der Digitalisierung seit der Coronakrise offener gegenüber, rund drei von vier Befragten (73 %) bezeichnen die Digitalisierung als Chance. Wenn das mal keine guten Aussichten für die voranschreitende Digitalisierung im Krankenhaus sind?

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Natalie Decker
HIER SCHREIBT Natalie Decker

Natalie arbeitet seit 15 Jahren als Redakteurin. Neben Lifestyle-Themen wie Kochen und Reisen gehören Medizin & Gesundheit zu ihren Schwerpunkten. Sie schreibt unter anderem für das Online-Portal gesund-vital.de und den Ratgeber-Verlag Gräfe und Unzer.

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