Brain-Computer-Interface: Wie Gedanken PCs und Maschinen steuern
Eine WhatsApp-Nachricht schreiben, ohne die Tasten zu berühren. Einem Behinderten dabei zusehen, wie er per Neuroprothese wieder laufen lernt. Was wie nach einem Science-Fiction-Film klingt, könnte bald Realität werden. Denn Brain-Computer-Interfaces leisten bereits heute Unglaubliches.
Inhalt des Ratgebers
Kurz bevor Darth Vader seinem Sohn Luke Skywalker erklärt, dass er sein Vater ist, verliert der junge Luke seine rechte Hand. Wäre Star Wars kein Science-Fiction-Film, sondern ein Historiendrama, wäre Luke jetzt vermutlich tot. Aber da die Geschichte in einer fernen Zukunft spielt, erhält er bald darauf eine neue kybernetische Hand, der seiner eigenen kaum nachsteht. Zumindest was die Prothese betrifft, ist Star Wars nicht mehr so futuristisch wie früher. Denn dank Brain-Computer-Interfaces wird es bald möglich sein, Arme und Beine per Gedankenkraft zu steuern. Und noch viel mehr!
Wie funktioniert ein Brain-Computer-Interface (BCI)?
In deinem Gehirn sorgen Milliarden Nervenzellen dafür, dass du denken, sprechen und handeln kannst. Jeder Gedanke erzeugt elektrische Hirnaktivität. Brain-Computer-Interfaces registrieren diese Impulse über EEGs und übersetzen sie so, dass ein bestimmtes Gerät reagiert. Voraussetzung dafür sei eine Trainingsphase, so Dr. Curio von der Charité. Es dauert eine Weile, bis der Computer die oftmals vagen Spannungsschwankungen korrekt interpretieren kann. Aber dann ist Unglaubliches möglich.
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BCI-Forschung: Was ist schon heute möglich?
Bereits vor einigen Jahren waren Necomimi-Ohren der Renner in Japan: Die weißen Katzenöhrchen sind in der Lage, Gehirnwellen zu lesen und darauf zu reagieren. Ist ihr Träger konzentriert, stellen sie sich auf. Entspannt er sich wieder, gehen sie nach unten. Natürlich ist das nur eine Spielerei. Aber das ist erst der Anfang.
Forscher des amerikanischen BrainGate-Projekts haben es bereits geschafft, Patienten mit Locked-in-Syndrom ein Hirnimplantat einzusetzen. Diese Menschen sind fast vollständig gelähmt und können sich weder durch Sprache noch durch Bewegungen verständlich machen. Dank der Hirnimplantate können erste Probanden durch bloße Gedankenkraft einen Roboterarm steuern. Damit können sie sich Kaffee einschenken oder durch einen zwischengeschalteten Computer über Gott und die Welt sprechen. Bleibt abzuwarten, wann diese Technologie serienreif wird und das Leben der Patienten mit Locked-in-Syndrom auf den Kopf stellt.
Anwendung: Hoffnung für Schlaganfall-Patienten und Unfallopfer
Das wichtigste Anwendungsgebiet für Mensch-Maschine-Interfaces ist die Medizin. Nicht nur Patienten mit Locked-in-Syndrom, sondern alle Menschen mit Bewegungseinschränken können davon profitieren. Stell dir vor, du übersiehst beim Motorradfahren ein Auto und landest auf dem Asphalt. Dein Bein ist so zerfetzt, dass es amputiert werden muss. In ein paar Jahren könnte dir eine Neuroprothese zu einem halbwegs normalen Leben verhelfen. Diese Prothese könntest du allein mit Gedankenkraft steuern – fast wie dein eigenes Bein. An Neuroprothesen arbeiten bereits einige Hersteller, darunter zum Beispiel die Firma Neuralink. Man darf also gespannt sein.
Auch Schlaganfall-Patienten können von dieser Technologie profitieren. Alle zwei Minuten trifft einen Deutschen wortwörtlich der Schlag. Mit unterschiedlichen Folgen: Manche erholen sich vollständig, andere müssen mit halbseitigen Lähmungen oder Spracheinschränkungen leben. Tatsächlich gilt Schlaganfall laut der World Stroke Campain als eine der Hauptursachen für Behinderungen. Auch hier könnte ein Brain-Computer-Interface wieder Bewegungen und Kommunikation ins Leben bringen.
Mensch-Maschine-Schnittstellen könnten nicht nur den Alltag kranker Menschen verbessern. Die Industrie arbeitet auch emsig an Einsatzmöglichkeiten für jedermann.
Wie Brain-Computer-Interfaces unseren Alltag verändern könnten
Nicht nur medizinische Forschungslabore arbeiten mit Hochdruck an der Schnittstelle zwischen menschlichem Gehirn und Computer. Auch Konzerne wie Facebook sind sehr daran interessiert. Erste Tests zeigen, wie weit die Forschung hier schon ist: Probanden konnten laut CNBC bereits ihre Gedanken ganz ohne Tastatur auf den Bildschirm bringen. Im Moment ist die Technik noch langsam und unzuverlässig. Facebook forscht allerdings intensiv an sogenannten Augmented Reality Glasses, mit denen sich das ändern soll. Die Entwicklung kann allerdings noch ein paar Jahrzehnte dauern.
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Noch viele weitere Anwendungen sind denkbar. So könnten Brain-Computer-Interfaces PC-Spiele revolutionieren. In einer Virtual Reality könntest du in Zukunft vielleicht per Gedanken deine Spielfigur steuern. Der Programmierer Sebastian Galazzo hat bereits ein Spiel entwickelt, das über Hirnströme funktioniert. Natürlich ist es auch denkbar, Roboter über Gedanken im „echten Leben“ zu steuern. Eine Software könnte dir sogar helfen, dich selbst und deine Emotionen in Zaum zu halten.
Stell dir vor, ein Kollege sagt etwas, das dich auf die Palme bringt. Bevor du explodierst, könnte dich ein Brain-Computer-Interface warnen, jetzt nichts Falsches zu sagen. Wenn man die Erfassung der Gedanken mit Künstlicher Intelligenz kombiniert, scheinen die Möglichkeiten quasi unbegrenzt. Denkbar wäre auch eine Lernsoftware, die erkennt, wann dein Gehirn aufnahmefähig für welche Information ist und wann du eher Entspannung brauchst. Hier stellt sich natürlich die Frage, wo die Grenze ist.
Human Augmentation: Wie weit wollen wir gehen?
Human Augmentation, also die Verbesserung menschlicher Fähigkeiten durch Technik, kann missbraucht werden. Wie interessiert die Marketingbranche an unseren Daten ist, wissen wir bereits jetzt. Wenn unsere Gedanken erst einmal ausgelesen werden können, entstehen natürlich deutlich mehr Daten, die viel intimere Bereiche unseres Lebens offenlegen. Was werden wir preisgeben wollen? Wer wird diese Daten schützen? Was ist mit den Menschen, die nicht mitmachen möchten?
Anzumerken ist auch, dass unser Gehirn noch nicht vollständig entschlüsselt ist. Welche Nebenwirkungen eine gezielte Beeinflussung hat, ist noch unklar. Es bleiben also viele offene Fragen, die klar machen: Die Zukunft wird spannend! Und wir können sie mitgestalten. Wie weit wir als Gesellschaft gehen, hängt auch von den Verbrauchern ab, die neue Produkte entweder nutzen oder in der Ecke liegen lassen. So plädiert beispielsweise Prof. Meckel für neue Spielräume, aber gegen einen Ausverkauf der Gedanken, über deren Nutzung wir immer die Kontrolle behalten sollten.
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Marie-Theres ist Online Redakteurin bei ottonova. Sie konzipiert den Redaktionsplan, recherchiert und schreibt vor allem über E-Health, InsurTech und digitale Innovation, die das Leben besser machen.